Januar-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Spanien / Lanzarote:
»Vom Winter verweht«
Winterzeit ist Leidenszeit, jedenfalls für die meisten Motorradfahrer. Da locken die Kanarischen Inseln mit ewigem Frühling und sorglosem Tourenglück.
Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) haben auf Lanzarote »Aloe vera« als Medizin gegen den Winterblues getestet.
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Rumms! Mit kurzem Schütteln hat der Airbus A320 auf der Landebahn des »César Manrique-Lanzarote Airport« von Arrecife aufgesetzt und uns aus dem Winterschlaf gerissen. Bei der
anschließenden Vollbremsung hätte selbst meine Kati daheim anerkennend mit den Reifen gepfiffen. Junge, Junge, als TUI-Kutscher sollte man auf diesem Flug aber restlos wach in den Tag gestartet
sein.
Zwei Stunden später rollen wir auf der endlosen Promenade von Puerto del Carmen am Meer entlang. Alberto und Agustin von »Moto Rental & Travel« haben uns für vier Tage eine CB 500X
bereitgestellt, dann dürfen wir »upgraden«. Die Dame unter mir stöhnt vernehmlich, altersbedingt, und dann noch zu zweit auf der Sitzbank… »Sag mal, hast du im Winter zugelegt?« Der Rippenstoß
von hinten lässt die Honda weitab der Ideallinie schlingern. »Und du bist auch schon mal besser Motorrad gefahren!“ Retourkutsche, Stich ins Herz. Alberto, wir müssen reden!
In den Bars und Restaurants sind bereits zahlreiche Brexit-Flüchtlinge aus dem Vereinigten Königreich zum kanarischen Triathlon angetreten: Vulkanberge von unten, Kirchen von außen, Lokale von
innen. Happy hour, happy people. Für »Bingo« ist es noch ein bisschen früh, also setzen wir am »Alten Hafen« den Blinker und ‘raus aus der Stadt.
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Tías mag es weiß. Und zwar so gründlich, dass Klementine von »porentief rein“ in neuer Dimension geschwärmt hätte. Weiß getünchte Häuser, ultraweiß der Glockenturm der Dorfkirche
Nuestra Señora de La Candelaria. Und drei, vier Gasstöße weiter trägt selbst der Vulkanberg Montaña Blanca das Unschuldsweiß in seinem Namen. So, als wollte man den schwarzbraunen Auswurf des
Feuerspuckers verharmlosen: »Keine Bange, ihr müsst nicht jede Nacht einen Teelöffel ins leere Trinkglas stellen.« Ein monochromes Landschaftsbild mit kompromisslos weißen Gehöften und Häusern,
umrahmt von sorgsam gesetzten Mauern aus dunklem Lavagestein. Als Malermeister kannst du auf Lanzarote wenig falsch machen und als Steinmetz hast du nur selten die Qual der Wahl. Beides stimmig
zusammenzubringen und mit Palmen, Kakteen und Sukkulenten effektvoll aufeinander abzustimmen, das haben die Lanzaroteños so wunderbar drauf, dass man selbst als farbenverwöhnter Mitteleuropäer
dem rauen Charme extremer Kontraste bald erliegt.
Freies Angasen bis Teguise. Das Urdorf Lanzarotes erhielt schon im 15. Jh den Ehrentitel »Villa Real« und ein verschämter Rest königlicher Ausstrahlung ist unter
Tourismusschminke auch heute noch zu erkennen. Am deutlichsten an einem Wochentag und wenn man bereit ist, die Motorradstiefel für ein Stündlein von den Fußrasten zu heben. Der schachbrettartig
angelegte Ortskern hat zweifelsohne Charme und in mancher der Gassen mit ihren offenen, kühlen Innenhöfen fühlt man sich gar nach »Andalucía« versetzt. Oder man findet eine schlichte Bar, die
noch einen traditionellen »Cortado leche y leche« serviert. Der zweistöckige kanarische Espresso, liebevoll mit süßer Kondensmilch und heißer, aufgeschäumter Normalmilch bereitet, hebt
gnadenlos die Augendeckel und wird für uns schnell zu einem Suchtfaktor. Über einen weiteren ist noch zu sprechen. Geduld bitte, erstmal wieder Motorrad fahren.
Dezember-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Griechenland / Olymp:
»Hausbesuch bei Zeus«
Olymp & Olympische Riviera
Eheprobleme im Götterhimmel. Wenn Zeus und Hera sich fetzen, ist es meist vorbei mit dem Sommer in Griechenland. Nur an seiner privaten Riviera macht der Herr des Olymp schon mal eine
Ausnahme. Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) erlebten goldene Stunden rund um den Götterberg.
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»Dieses Geschrei und Gezeter! Nicht zum Aushalten!« Zeus sitzt auf dem Olymp und hält sich die Ohren zu. Macht dieses Weib einen Aufstand, nur weil er nach einem göttlichen
Testosteron-Schub ein bisschen um den Olymp gezogen ist.
Zugegeben, die Sache mit Aphrodite hätte Hera nicht erfahren müssen. Aber da ist er völlig schuldlos. Männerwochenende auf Zypern. Unterwegs gibt’s Nektar und Ambrosia. Eine Superstimmung! Und
dann steigt plötzlich am Abend dieses Superweib bei Paphos aus dem Meer … Und legt direkt neben dem Felsen, wo die Herren ihr Nachtlager aufgeschlagen haben, ihre Kleider ab. Demeter hat ihn noch
zurückhalten wollen. »Zeus, achte auf deine Gesundheit, du bist nicht mehr der Jüngste!“
Am nächsten Morgen hockt der Göttervater vor der Pforte zum Olympischen Garten. Kopfschmerzen, Filmriss, seine Hera eine Furie. Der voreilige Hermes hat natürlich nichts Besseres gewusst, als ihr
die schlechten Nachrichten »stante pede« zu überbringen. Ein gottserbärmliches Plappermaul! Zeit zum Abtauchen. Wolken steigen auf, verhüllen düster den Götterberg.
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Zeus ziert sich. Hartnäckige Dunst- und Regenschleier haben unsere letzten Kilometer durch das Ossa-Gebirge begleitet. Ein weiter Sandstrand bei Nei Pori hat die Enduros ans Meer
gelockt. Mit einem blassblauen Himmel und orangenem Lichtstreif über der endlosen Weite des Thermaischen Golfs. Zeus zwinkert, blinzelt kurz aus dem noch blickdichten Wolkengebirge im Hinterland
der Region Pieria hervor. Hera hat sich ausgepowert – vorerst jedenfalls. »Siga, siga! Gut Ding will Weile haben. Kommt nun näher, meine Kinder!« Der alte Heuchler!
Immerhin schickt er uns Sonnenstrahlen, mindestens vier, fünf wärmende Bündel, sodass es vielleicht doch noch mal reicht für ein paar Motorradtage im Land der Götter. Mit goldenem Herbstlaub auf
den Bäumen, mit hohen Bergen und tiefen Tälern, mit stillen Stunden an einem menschenleeren Strand. »Óla kalá – alles wird gut!«
In Nei Pori sicherlich auch. Zumindest in den Sommermonaten, wenn die Griechen aus den brütendheißen Häuserschluchten von Thessaloniki ans kühle Meer fliehen und für ein
entspanntes Wochenende in eines der zahllosen »Diamerísmata« (Apartments) einchecken, die sich bis nach Platamonas hinein an der Strandpromenade reihen. Ein griechisches Lido di Ostia, eine
verführerische Olympische Riviera. Doch jetzt ist alles verlassen, Bars und Tavernen verrammelt. Der Strand gehört den letzten noch verbliebenen Sonnenanbetern und ein paar liebebedürftigen
Hunden. (...)
In der November-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Provence:
»Théâtre du Midi«
Luberon & Vaucluses
Aus dem Herzen der Provence kommt die Einladung zu einer Reise ins Luberon und zum Plateau de Vaucluse. Ein Landschaftstheater mit großer Bühne und grandiosen Akteuren aus Geschichte und Kultur. Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) haben sich rechtzeitig Karten besorgt.
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Offen gefragt: Wann waren Sie das letzte Mal im Theater? So richtig, meine ich, nicht daheim in den eigenen vier Wänden. Schon eine Weile her? Dann mache ich Ihnen jetzt einen
Vorschlag: Motorradjacke anziehen, Helm aufsetzen, mitkommen! Ein paar hundert Kilometer auf französischen Autobahnen, aber dann werden Sie staunen. Wir machen Station in Manosque, am Rande einer
Landschaft, die sich »le Luberon« nennt. Tief im Süden Frankreichs, exakt in der Mitte der Provence. Et voilà: »Bienvenue au Théâtre du Midi«. Kommen Sie, nehmen Sie Platz …
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1. Vorhang – Marché à Manosque.
Eine wilde Verfolgungsjagd über gestapelte Dächer, schlitternde Stiefel, zerberstende Ziegel, im Hintergrund Stadttore und Kirchtürme über
dem Flusstal der Durance. Schnitt. Degenduell, ein toter Offizier liegt in seinem Blut. Wütendes Volk drängt durch die Gassen. Soldaten, Gewehre, ein verhafteter Husar. Schnitt. Eine
verführerische Frau irrt mit einem Kerzenleuchter durch ihr Haus und plötzlich steht er vor ihr: der »Husar auf dem Dach«.
Jean-Paul Rappeneaus Verfilmung des gleichnamigen Romans von Jean Giono in dessen Heimatstadt Manosque war 1995 großes Kino. Mit einem draufgängerischen Olivier Martinez als Husarenoberst Angelo
Pardi und einer betörenden Juliette Binoche als adlige Madame de Théus. Nervenkitzel und Romantik, gewaltige Landschaftsbilder vom Luberon und Vaucluse. Volltreffer mitten ins Herz. Höchste Zeit
für ein Wiedersehen!
In der September-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Oberitalienische Seen / Tessin:
»Seensucht«
Lago Maggiore - Lago di Lugano - Lago di Como
Die Oberitalienischen und Schweizer Seen gehören zu den nahegelegenen Motorradreise-Regionen, die man stets von Neuem entdecken möchte.
Für Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) sind sie Inspiration, Sehnsuchts- und Zufluchtsort zugleich.
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Mit Suchtgefahren kenne ich mich aus. Das Bierchen zum Feierabend, Chips und Co. vor dem Fernseher beim Länderspiel, die Trauben-Nuss unterwegs in meinem Tankrucksack. Und ganz
schlimm: Michaelas Wochenendprogramm mit den vielen »L«. Locker lassen, Lederjacke an, Luft holen am Lago. Eigentlich muss es ja »Lagos« heißen, denn bei nur einem der Oberitalienischen Seen
bleibt es nie, zumal unser Wochenende mit dem Zusatz »verlängertes« lockt. Doch bei meinem Italienisch rauft sich der Tankwart an der »Sechsfüßigen« kurz vor Bellinzona verzweifelt die Haare:
»Ah, capisci, voglione andare al Lago Maggiore?!«, ruft er schließlich begeistert und ich verzichte darauf, ihm unsere Reiseroute mit den restlichen »laghi« im Detail zu erklären. Die restlichen
»laghi« bleiben vorerst flüchtig hingekritzelte Notizen im Roadbook. Winke, winke. »Andiamo ragazzi!«
Die Autostrada verschwindet im Rückspiegel und am Straßenrand wischt ein Wegweiser vorbei: »Der TICINO«, frohlockt es im Helmkopfhörer. »Schau, da vorn sieht man schon das Wasser. Wir sind gleich
am Lago. Endlich wieder Italien, mit bunten Farben und warmem Licht!« Kennt ihr diesen Stoff, aus dem Reiseträume entstehen? Können wir gar nicht genug von kriegen. Ab dem Ticino beginnt der
Süden. Und ab dem Ticino sind wir süchtig. Jedes Mal und immer wieder.
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Cappuccino overdose
Feucht war sie, die erste Nacht auf »Camping Tresiana«, und es dauert eine Weile, bis die ersten Sonnenstrahlen über die Spitzen der Malcantone-Berge blinzeln. Fröstelnd schmiegt sich der kleine,
versteckt gelegene Platz ans Ufer des Grenzflusses Tresa, eingebettet zwischen »nicht mehr richtig Schweiz« und »noch nicht richtig Italien«. Doch spätestens als mir Giada Maroni in der Rezeption
eine Tüte mit duftenden »Buttergipfeli« und »Maggiabrötli« unter die Nase hält, ist die kühle Nacht vergessen. Michaela hat Kaffee gekocht, die Sitzbänke der Motorräder trocken gerieben und lässt
den Leuchtstift über die Karte sausen. »Buongiorno, Maggiore« in Luino und dann »molto comodo« am Seeufer entlang. Erst mal warm fahren und wehe, du stresst!« Ein strenger Blick, Geschirr und
Spülbürste unter den Arm, gute Vorsätze fassen.
Ab Luino bekommt die Kati »Ready to Race«-Verbot. Stattdessen Bummel mit Seeblick: Am Ufer entlang hinauf nach Maccagno, übers Wasser hinüber nach Cannero Riviera und gleich dahinter zoomt sich
das Auge hinein in die Ausläufer der zweitausend Meter hohen Bergwelt des »Parco Nazionale della Val Grande«. Eine weglose Wanderwelt, entlegen und entvölkert.
Pünktlich zum zweiten Morgenkaffee schlendern die Enduros durch Porto Valtravaglia, entdecken das zerklüftete Steilufer unterhalb der Chiesa Santa Veronica und verlangen in der beschaulichen
Bucht von Caldè freiwillig den Seitenständer. Ans Ufer setzen, frischen Caffè aus der noch morgenmüden »Soul Kitchen« holen, zwei »Cornetti giganti« mampfen und minutenlang im Gegenlicht über den
See stieren. »Seensucht«, murmelt Michaela glücklich und ist vier Cappuccino lang voll auf Droge. Dann wird es Zeit für emotionalen Entzug – mit drei Zylindern und fauchendem
Viertakt.
In der Juli-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Türkei / Südostanatolien:
»Tausend und manche Nacht«
Orientexpress durch Anatolien. Ein kleiner Prinz von einem fremden Planeten sucht seine Heimat und reist im Tankrucksack quer durch den Osten der Türkei.
Im vierten Teil ihrer »Turkish Travels 2.0« erleben Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) ein Märchen wie aus dem Morgenland.
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Prasselnd klatscht der Regen auf die Steinplatten im Innenhof des Heiligen Dergah-Komplexes von Șanlıurfa. Wie aufgescheucht überqueren einige Muslima in dunkelfarbenen
Farasha-Mänteln den Vorplatz der illuminierten Moschee, retten sich im Dreisprung unter den überdachten Bogengang zu Füßen der mächtigen Burgmauer der Zitadelle von Urfa. So hatte sich der kleine
Prinz den Empfang im Orient nicht vorgestellt. Seit Beginn der blauen Stunde versteckt er sich im Tankrucksack, klappert mit den Zähnen und lamentiert. »Jetzt bist du mal ein ›Büyük Prens‹
(großer Prinz), kneifst die Pobacken zusammmen und bummelst mit uns über den Bazar!« Michaelas Machtwort wirkt. Wenn schmollende Seitenblicke töten könnten…
Mit den letzten Tropfen auf dem Scriptbook sind wir drehbereit. Turkish Travels 2.0, Aufmacher und »Eyecatcher scene«: Bazarfotos als »Close up-Shots«, mitten hinein ins
Morgenland. Obst- und Gemüsestände, Nüsse und Gewürze in Säcken, Honig und Süßigkeiten. Haushaltswaren mit Messing- und Kupferkesseln, bunt bemaltes Geschirr und Holzkohle-Samowars, die leider
selbst mit Aladins Wunderlampe nicht aufs Motorrad passen wollen. Nur ein wenig in den Bazar hineinschnuppern, den »Küçük Prens« an der Hand herumführen. Vielleicht treffen wir ja sogar einen
Astronomen, der ihm hilft, seinen Heimatplaneten zu finden. Ein bisschen Bazar? Geht nicht! Șanlıurfa pulsiert, rockt lautstark lebendig bis in die engsten Gassen der Altstadt, saugt dich hinein
in ein Meer aus Farben, Gerüchen und Tönen. In den Handwerkerzeilen palavern Kesselflicker und Kupferstecher in türkischer, kurdischer oder arabischer Sprache. Kehlig und eindringlich die Händler
mit ihrem speziellen Urfa-Türkisch, das unseren Ohren völlig verschlossen bleibt. Ständig werden wir angesprochen, sollen Tavuk-Döner (Hühnchen), Backwaren und Süßigkeiten kosten. Kleider, Tücher
und Schuhe anprobieren, stehenbleiben, eintreten, Platz nehmen. Und du drehst dich im Kreis, wolltest doch eben noch, wirst mitgerissen, weggespült. Ein »Hamam« (Bad) für die Sinne, wie wir es
seit Shiraz und Esfahan im Iran nie mehr erlebt haben.
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Und wie damals wirkt der Michaela-Magnet: kurze, blonde Haare ohne Kopftuch und dazu noch blaugrüne Augen. Für türkische Muslime ein Paradiesvogel. Und so heben selbst
verschleierte Frauen den Blick, tuscheln und kichern. Männer komplimentieren direkter, mit gehobenem Daumen und freundlich zuckendem Schnauzbart. Bei einer Çay-Pause bittet der dunkelhaarige
Kellner plötzlich um Michaelas Handy und tippt »Güzel gözlerin var« in den Google-Translator: »Du hast schöne Augen«. Muss ich mir jetzt etwa Sorgen machen?
1000 und manche Nacht in Șanlıurfas multikulturellem Schmelztiegel. Die Geburtsgrotte Abrahams neben der Mevlid-i Halil-Moschee, zu der Frauen und Männer nur getrennt Zutritt
erhalten. Die heiligen Tauben im Innenhof mit davor posierenden Jungen in Festgewändern anlässlich ihrer Beschneidung. Die freitragende Kuppel der mächtigen Dergah-Moschee, ausgekleidet mit
purpurroten Teppichen im Gebetsraum. Und natürlich »Balıklıgöl«, der Karpfenteich des Abraham (türk. Ibrahim). Man erzählt sich, dass der Prophet hier den Feuertod auf dem Scheiterhaufen sterben
sollte, wovor ihn Gott bewahrte, indem er die Flammen in Wasser verwandelte und die Glutbrocken in Karpfen. Seither schwimmen sie unsterblich im »Balıklıgöl« umher, und wer die Fische fängt und
isst, wird mit Blindheit be… »Sag mal, ist der kleine Junge mit dem Kescher da vorne am Beckenrand etwa unser Wuschelkopf?« Aufschrei und Hechtsprung. Wie gut, dass auch Allah mal ein Nickerchen
macht.
In der April-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Türkei / Südostanatolien:
»Küçük Prens«
Reisebegleiter sollte man sich bekanntlich immer gut aussuchen. Aber wenn dann ein kleiner Prinz am Straßenrand steht und einfach in den Tankrucksack hüpft, ist Widerstand meist
zwecklos.
Im dritten Teil ihrer »Turkish Travels 2.0« reisen Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) vom Mittelmeer nach Südostanatolien und fangen osmanisch-orientalische Impressionen
ein.
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Wasser. Unglaubliche Mengen Wasser. Schon vom Parkplatz aus ist das Tosen des aufschäumenden Wasserfalls »Büyük Șelale« zu hören. Bereits früh am Morgen haben wir das quirlige
Manavgat im Rückspiegel versenkt und sind hinaus an den Flusslauf des »Manavgat Çayı« gefahren. Und »Bingo« – wir stehen fast allein an dem Geländer der Besucherplattform, tauchen hinein in die
aufschäumende Gischt der Wassermassen. Greifbar nah, mit donnerndem Getöse schiebt der Fluss megabreit alles Richtung Meer, was er auf seinem Weg durch das Taurus-Gebirge an Zuläufen einsammeln
konnte. Eine Steilvorlage für die Wasserkrafttechniker des »Südostanatolien-Projekts« (türkisch GAP), die zwischen 1977 und 1984 ein paar Flusskilometer oberhalb der Fälle die Oymapınar-Talsperre
und den gigantischen Manavgat-Stausee anlegten. Anschließend darf der Fluss wieder mäandern, stürzt spektakulär über meterhohe Felskanten hinweg und entleert sich schließlich in den Golf von
Antalya.
»Turkish Travels«, 3. Teil: Opening Scene. Ein langsamer Weitwinkelschwenk über Uferplatanen im sprudelnden Flusswasser. Dann dicht herangezoomt an der schneeweißen Abbruchkante der Fälle entlang und schließlich hinab in einen reißenden Auslauf mit einer so heftig überspülten Terrasse, dass Mutige die Flussforellen aus der Luft grabschen könnten. »Wahnsinn, oder?!«
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Zurück bei den Motorrädern. »Hey, was macht der kleine Kerl da auf meinem Tankrucksack?« Ein blonder Wuschelkopf, grüner Hosenanzug mit rotem Taillengürtel und alberner Fliege.
»Gestatten: Küçük Prens!« – »Kleiner wer?« Mein fließendes Türkisch hat ab dem zweiten Wort meist noch Luft nach oben. »Der kleine Prinz«, dolmetscht meine Frau und zwinkert mir zu. »Stand an der
letzten Tanke in Antalya neben der Zapfsäule und hielt den rechten Daumen hoch. Er will in den Orient und da dachte ich …« Der Wuschelkopf bläst die Backen auf: »Ich habe mich verlaufen und suche
meine Heimat, den Asteroiden B 612. Auf dem kann ich die Sonne aufgehen sehen und wenn ich meinen Sessel ein paar Schritte weiterrücke, erlebe ich die Dämmerung. So oft ich will. Er wurde von
einem türkischen Astronomen entdeckt und den muss ich finden!«
Will der kleine Kerl mich auf den Arm nehmen? Ein heimatloser Anhalter, der von einem Planeten kommt, der kaum größer ist als er selbst? »Er sucht Freunde«, zwinkert Michaela ein zweites Mal,
»Freunde, die das Leben verstehen. Suchen wir die nicht auch? Daheim bei uns und hier in der Türkei?!« Gewonnen! »Also rein in den Tankrucksack, mein Prens, und ab in den Orient.
Hiermit ernenne ich dich zum Regieassistenten. Schau’n wir mal, was du so drauf hast ...(...)
In der März-Ausgabe '23 des TOURENFAHRERs:
Frankreich / Camargue:
»Noch einmal Blau«
Jeder Sommer geht einmal zu Ende. Doch wenn es hierzulande bereits wieder dunkel und kalt wird, macht Gott in Frankreich noch einmal Blau. Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos)
sind seiner Einladung gefolgt und haben AdBlue in der Camargue und an der Côte Bleue getankt.
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Vor dem Küchenfenster rüttelt ein kalter Wind die ersten Blätter von den Bäumen und der Spätsommer bekennt: Alles gegeben! Höchste Zeit, das Blaue zu suchen. Michaela mixt
Medizin, plottet eine Route in die Camargue und an die Côte Bleue unserer Nachbarnation, die schon in ihrer Flagge ein kräftiges Blau verspricht. Anlasser drücken, das Fauchen der Kati und das
Singen der Stollen auf dem Asphalt unterm Helm. Seelenbalsam für Motorradfahrer. TomTom erzählt was von knapp tausend Kilometern, die A7 trägt den hoffnungsfrohen Zusatz »Autoroute du soleil« und
ab Lyon schminkt sich der Himmel tatsächlich mit ersten blauen Tupfern. Herzklopfen. Jedes Mal von Neuem, seit ich mit achtzehn das erste Mal im Sattel einer 250er Honda die Platanenallee von
Montélimar entlangrollte und den Mund nicht mehr zubekam. Bunte Häuser, Läden, Boutiquen und Restaurants. Dunkle Sonnenbrillen, Hand in Hand schlendernde Paare, eine schlanke Madeleine im Café,
die sich bei einem „P’tit noir“ den Lidschatten nachzieht. »Vraiment magnifique, ma chère – und niemand hat’s gesehen! »La vie française«. Gott ist nicht zu Unrecht Franzose und Michaelas POIs
auf der 150.000er Michelin im Tankrucksack lesen sich wie Checkpoints vor der Himmelspforte. Tief durchatmen und eintauchen. Fast vergessen: Menschen können nett sein, lächeln und scherzen.
»Bisou, monsieur. Merci, madame.« Uns kann es doch eigentlich nicht besser gehen…
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Ein Kratzen in der Helmsprechanlage reißt mich aus meinen Gedanken. »Morgens bei Aigues-Mortes über toten Wassern fliegen. Der langen Brandung an den Stränden von Espiguette
lauschen und mit nackten Füßen im Sand wühlen. Die heiligen Marias in Saintes Maries-de-la-Mer besuchen und in Arles an einem Camargue-Stierkampf teilnehmen. Ich hab’ uns übrigens angemeldet!«
Entsetzte Blicke in den Rückspiegel. Meint sie das etwa ernst? »Michaela, ich darf dich daran erinnern, dass ich bereits das Pensionsalter gerissen habe.« – »Pas de problème, mon cher! Und
wenn du dann erst noch die schwarzen Stiere in der Arena bei den Hörnern gepackt hast, bist du gänzlich runderneuert und fit für die nächsten zehn TF-Jahre.« Mahlzeit. Mein inneres Bremspedal hat
plötzlich Bodenkontakt und »Dieu merci«, als meine Chefpilotin am Tour Carbonnière unverhofft den Blinker setzt. »Du darfst jetzt erstmal fliegen! Ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Tage,
wirst gleich sehen. Pack das Ding schon mal aus!«
(...)