November-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Dänemark / Vendsyssel-Thy:
»Nordlicht«
Vendsyssel-Thy ist Dänemarks Mütze und eine Region »nordenfjords«. Jenseits des Limfjords schärfen sich die Konturen von Land und Meer und jotwede, wenn fast nichts mehr bleibt, feiern Kattegat und Skagerrak Hochzeit.
Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) waren eingeladen, erlebten eine raue, wilde Natur und überraschend glückliche Menschen.
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»Aggersundbroen« zittert leicht, als sich die Stollen unserer »schweren Reiseenduros« mit dem Brückenbelag verzahnen. Heftige Böen peitschen den Limfjord, setzen seinem Wasser
Schaumkronen auf und drücken es mit Macht in den schmalen Aggersund. Sie wird doch halten, die Gute. Macht sie immerhin schon seit 1942 und damals haben die Nazis ihr schließlich noch ganz andere
Lasten zugemutet, als sie ihre Bunker bei Løgstør bauten, um den Schiffsverkehr im Fjord und die Straße nach Vesthimmerland im Griff zu haben. Böse Zeiten und blöde Erinnerungen, selbst für
jüngere Dänen, die all das nur aus dem Geschichtsbuch oder von »Bedstefar og mormor« (Opa & Oma) her kennen.
Jedenfalls kommt Rasmus Steiniche so richtig in Schwung, als wir nach kilometerlangem Betonplattengeholper auf seinem Naturplatz »Tranum Klit Camping« einlaufen, laut stöhnen und die Bandscheiben
kurz durchnummerieren.
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»Ja, ihr denkt, das haben die Deutschen gebaut. Aber wir waren ja von euch besetzt.« Und dann erzählt Rasmus von dänischen Arbeitstrupps mit nicht nur Freiwilligen, die in drei
Jahren Knochenarbeit bei Aggersund mit Hand anlegten und neben der Brücke auch die allerorts noch sichtbaren Befestigungsanlagen und die Straßen bauen halfen. Wir ziehen sanft den
Bremsfallschirm, bevor es ins Detail geht. Vermintes Gelände und wir sind gottfroh, dass die »Jammerbugten« (Bucht) heute kaum noch Gründe zum Klagen hat. Bestenfalls touristische, wenn sich im
Sommer eine weiße WoMo-Armada zur Eroberung der Traumstrände zwischen Bulbjerg und Lønstrup in Bewegung setzt.
Nicht jammern, es ist Anfang Juni und alles ist ruhig. Und vor allem hell, wie der nächste Morgen, der mich glockenwach um halb sechs aus dem Schlafsack schiebt. Um es klarzustellen: Ich bin
eigentlich Langschläfer, aber wenn die Morgensonne Frühschicht hat und die Bäume und Büsche um uns herum in warmes Goldlicht tunkt, dann wäre es doch fast ein Verbrechen … Verrückt. Von Tranum
nach Hohenlohe sind es nur schlappe 1000 Kilometer, machbar an einem deutlichen Fahrtag, wie »Iron Ass«-Freunde bestimmt bestätigen können. Und ZACK, bist du völlig jotwede, in einer anderen Welt
mit einem anderen Licht.
Apropos Fingerschnipsen: Unsere Wickie wollte nicht mit. »Kenn’ ich doch alles! War doch jaaahrelang mein Zuhause. Die Wikingerburg Aggersborg, gleich nebenan, wenn ihr den
Limfjord kreuzt. Sieht man nicht mehr viel von. Den Rest vom Graben und Erdwall vielleicht, ein paar Holzstümpfe, wenn ihr Glück habt. Die Pallisaden und Tore, die Langhäuser — all das müsst ihr
euch vorstellen. Ist lange her, aber guckt sie euch an, die Heimat der starken Männer. So was gibt’s ja heute kaum noch!«
Sprach’s bei unserer Fährankunft in Bøjden (siehe Reportage »Hyggeland«, TF XX/2024), setzte sich in sein Drachenboot, murmelte noch irgendwas von ›Kartoffelfest der Wikinger auf Samsø‹ und ZACK,
weg war er. Ende unserer Zeitreise mit Wickie. Irgendwie schade um den kleinen Schlauberger und seine guten Tourentipps.
September-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Dänemark / Dänische Südsee:
»Hyggeland«
Das skandinavische Nachbarland Dänemark ist für Motorradreisende oft nur Durchgangsstation auf dem Weg nach Norwegen oder Schweden. Zu Unrecht, wie Michaela & Udo Staleker (Text &
Fotos) herausfanden. Auf ihren Touren an den Ufern der Dänischen Südsee erlebten sie landschaftliche Vielfalt ein ein hyggeliges Lebensgefühl.
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WetterDotKomm bietet mal wieder das volle Unterhaltungsprogramm. Von wegen »Komm«, wohl eher »Bleibweg«! Vor allem im Alpenrevier und noch deutlicher im
mediterranen Süden. Hitzewellen, Starkregen, Überschwemmungen mit Bootlefahren auf Campingplätzen und in Fußgängerzonen. »N-e-i-n, wir diskutieren jetzt nicht, woran das wohl liegt!«. Meine Frau
kann sehr streng sein. »Dann drehen wir die Europakarte einfach mal auf den Kopf. DA ist’s sonnig und DA wollte ich schon immer mal hin.«
Die Straßenkarte auf dem Esstisch zeigt die Umrisse von Dänemark. Och nööö, nicht Plattland! Das ist jetzt nicht ihr Ernst. Wortlos verziehe ich mich zum Antifrustprogramm in die Garage. Die
dicke KTM hat wohl gelauscht und protestiert: »Ohne mich! Keine Kurven, keine KTM! Und dann höchstens 70 auf der Landstraße. Soll die Honda mitfahren, die steht voll auf hygge.« Das
Mitbestimmungsrecht für Motorräder war wohl keine so gute Idee.
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Erinnert ihr euch noch an »Wickie und die starken Männer«? Spannende Abenteuer eines Wikingerjungen im Drachenboot auf hoher See. Mir ist der sympathische Kerl wieder
eingefallen, als unsere Enduros über die Ny Lillebæltsbroen rollen, die neue Brücke über den Kleinen Belt, die Jütland bei Middelfart mit der Insel Fyn (Fünen) verbindet. Immer gut drauf,
schmächtig und daher stets unterschätzt, dafür herzerfrischend pfiffig. Dreimal unter der Nase gerieben und ZACK: mit einem Fingerschnipsen hat Wickie die Lösung für jedes Problem. Der Tipp mit
der Dänischen Südsee kam natürlich von dem kleinen Schlauberger. »Passt bestimmt gut zu euch, ganz besonders zu den CRFs. Mein Drachenboot wird ebenfalls oft belächelt, von wegen Reiseboot und
so. Und ZACK, bin ich da, wo auch die Dickschiffe hinwollen. Mit ein, zwei Pausen weniger und dafür nur zweieinhalb Litern Met auf hundert Ruderschläge.« Was bringt mehr Spaß als der Triumph der
Kleinen über die Großen? DIE mit der geschwellten Trommelbrust. Lächelnder Emoji.
Seemöwenblick auf den Lillebælt. Mit einer Spannweite von 600 Metern zwischen ihren 120 Meter hohen Pylonen bietet die 1970 in Betrieb genommene Hängebrücke filmreifen
Augenschmaus. »Halt mal den Schnabel!«, funkt die vorausfahrende Sprechanlage und wir rollen im Dritten megascharf rechts, bis selbst die eher gelassenen Dänen die Finger nicht mehr von der Hupe
lassen können. Rechterhand das Häusermeer von Middelfart, über eine ältere, kombinierte Eisenbahn- und Straßenbrücke mit Jütland verbunden. Und noch weiter westlich schweift der Blick dann
das Slotsbanke (Schlossufer) entlang, hinein in den Kolping Fjord und hinüber zur vorgelagerten Insel Fænø in der Meerenge von Snævringen. Dazwischen Strände und Bootsliegeplätze vor weiß
hingetupften Anwesen direkt am Belt. Kann man so was kaufen oder braucht man dazu den dänischen Erbonkel? »Mega, oder?!« Und weil’s so schön war, nehmen wir die erste Ausfahrt nach Middelfart,
machen einen U-Turn und rollen noch einmal retour. Der sich zur Ostsee hin malerisch öffnende Belt mit der Industriestadt Fredericia soll ja schließlich nicht beleidigt
sein.
Juni-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Deutschland / Hohenlohe:
»Wied'r dahaam«
Wer gern auf langen Motorradreisen die Welt erkundet, vergisst zuweilen, wie schön die eigene Heimat vor der Haustür ist.
Eine schlitzohrige Wiederentdeckung der Region Hohenlohe von Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos).
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»Sooch a’mol, Günter, gescht’rn isses woll a weng spät worre, od’r? Dai Wechselgeeld hasch v’rgesse …« Der Günter tappelt zur Theke zurück, nimmt unter dem strengen Blick der
Metzgerin sein Wechselgeld entgegen. »Was hasch denn eikaaft?«, fragt frotzelnd jemand aus der Warteschlange. Jetzt strahlt d’r Günter: »Fleischkäscordonblö!«. Zungenschnalzen aus dem
Publikum. Die Metzgerin sieht das Fragezeichen auf meiner Stirn. »Für Sie als Nei’g’schmeckter: Wir nehmen ein Kalbsschnitzel, eine Scheibe Käse, dann eine Scheibe Fleischkäse, noch eine Scheibe
Käse und zum Abschluss wieder ein Kalbsschnitzel. Nun noch panieren und in der Pfanne ausbraten.« Und mit Rückfall ins Hohenlohische: »Uns’r Günter kaaft des dreimol d’ Woch!« Im Publikum hebt
einer mit Nickelbrille die Hand: »Gibt es das auch vegan?« Vielstimmiges Gemurre. »Sou ebbes braucht’s net!!!« Die Nickelbrille verstummt und kann von Glück reden, dass sie überhaupt noch bedient
wird.
Wieder zurück beim Motorrad versucht Michaela, meinen Dialektfrust zu glätten: »Hab’ ich dir doch erklärt: Wenn man von einem Dorf zum nächsten ein Wörterbuch braucht, dann sammâ wied’r dahaam
bei’d Hohâloher Leit. Alles gut, mein Bester, ich bin ja bei dir.«
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Akustisch zurückhaltend rotzelt die KTM durch Brettheim. Kurz vor dem Ortsausgang kommandiert der Kopfhörer plötzlich: »Zieh mal links rein!« Sekunden später halten wir am
Dorffriedhof unter den Kronen zweier mächtiger Linden. »Die Männer von Brettheim«, erklärt mai Fraa und deutet mit dem Finger auf eine Gedenktafel an der Friedhofsmauer. »Der Vorfall ereignete
sich in den letzten Kriegstagen. Als die Amis mit ihren Panzern schon ganz in der Nähe die Kaiserstraße nach Blaufelden runterrollten, meinten ein paar Hitlerjungen, noch zum Endsieg beitragen zu
müssen. Mit ein paar Panzerfäusten, Handgranaten und Karabinern vom Volkssturm, wie das damals wohl hieß. Jedenfalls nahmen der Bürgermeister Gackstatter, der Dorfschullehrer Wolfmeyer und der
Bauer Hanselmann den Buabe kurzerhand die Waffen weg und versenkten sie im Löschteich.«
»Effektive Abrüstungsmaßnahme!« Doch Michaela ist nicht nach Scherzen: »Die Hitlerjungen haben natürlich alles der SS berichtet, die daraufhin alle Dorfbewohner verhörte und
ihnen mit Erschießung drohte. Schließlich stellte sich Bauer Hanselmann als Täter. Er sollte von einem Standgericht zum Tode verurteilt werden, zusammen mit seinen Helfern Gackstatter und
Wolfmeyer. Das muss man sich mal vorstellen!» In meinem Hals steckt plötzlich ein Kloß: »Und? Ging nicht gut aus, oder?« Eine wegwerfende Handbewegung bestätigt meine Befürchtung. »Erhängt haben
sie diese tapferen Kerle. An einem Balken zwischen den Linden, unter denen wir gerade sitzen. Tagelang baumelten sie dort zur Abschreckung. Ach komm, lass uns weiterfahren, der Tag hat so schön
begonnen. Ist alles lange her, aber ich dachte, DAS gehört auch zu unserer Heimatrunde heute.«
April-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Griechenland / Pilion:
»Osterendurado«
Schon im Frühling nach Griechenland? Motorradreisende werden dafür gleich dreimal belohnt: mit Ruhe auf den Straßen, menschenleeren Stränden und einem Osterhasen, der seine bunten Eier
besonders gern und gut auf der Halbinsel Pilion versteckt.
Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) sind auf die Suche gegangen.
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Sie hat gestern mit Chrysoula und Sofia telefoniert. Verdächtig lange und nun «kruschtelt« meine Frau schon den ganzen Vormittag im »Motorradlager« unten im Keller herum. Prompt
steht am Mittag nicht das Essen auf dem Tisch, sondern vier prall gepackte ENDURISTANs warten im Hausflur. Schweißperlen gegen Stirnrunzeln: »Sofia meint, unser Campingplatz habe schon geöffnet.«
- »Mmmhh?!« - »Und Chrysoula hat erzählt, dass sie schon im März ganz viele warme, sonnige Tage hatten.« Höchste Zeit für Wasser in den Wein. »Letztes Jahr hatten wir im April noch fett Regen und
haben in der Türkei gefroren wie die Schneider.« Nun wird aufmunitioniert. »Und das griechische Osterfest ist erst in gut zwei Wochen. Wir könnten also vor den ersten WoMo-Konvois noch
locker ein paar Tage Ostereier auf dem Pilion suchen.« Breitseite auf meine Bikerbrust. »Und die elendig lange Anreise durch ÖsterreichUngarnSerbien und - Luft holen - Nordmazedonien?« Michaela
zielt mit Odysseus’ Pfeil und Bogen: »Wirst du etwa langsam träge, mein Alter?« So, jetzt reicht’s! Das woll’n wir doch mal sehen. »Morgen früh, acht Uhr, aber erst ’n Kaffee!« Start your
engines, gentleman and gentlewoman.
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Gleich wird sie ins Meer plumpsen. Mit den letzten wärmenden Sonnenstrahlen der Abendsonne vergoldet sich das windgekräuselte Wasser des Pagasitischen Golfs. Die Berge Magnisias
am Horizont und die zum Greifen nahe Halbinsel Trikeri werden zu Scherenschnitten. Wir sind stumm geworden, treiben mit dem farblos werdenden Licht in Kato Gatzeas blaue Stunde, deren Stille nur
vom Rhythmus eines sanften Wellenschlags gegen die Boote im Hafen unterbrochen wird. Mein Herzschlag schaltet in den Leerlauf und die endlosen Autobahnkilometer der Anreise rutschen von der
Bootsrampe ins Hafenbecken. Ein paar Fischer erledigen noch die letzten Handgriffe für den morgigen Fangtag, dann trotten sie mit glimmender Zigarette im Mundwinkel ins Dorf zurück. Minuten
später fällt die Nacht vom Himmel und der fahle Lichtschein des kleinen Leuchtturms und die gelblichen Laternen auf der Mole kümmern sich um die Abendbeleuchtung. Wir sind lange nicht hier
gewesen. Viel zu lange nicht. Herbst und Winter ohne Griechenland, das ist nicht gut für die Seele.
Eine Karwoche zum Motorradfahren. Die ersten Kilometer an der Küste entlang, eine Kammwanderung der Gefühle. Am »Kolpos Pagasitikos« scheint die Zeit mit jedem Jahr neu zu
beginnen, mit Streicheleinheiten aus einem Griechenland, das andernorts schon längst im Massentourismus ertrunken ist. Alles wie gestern. Die noch leeren Strände in Kala Nera, wo das Wasser so
sauber ist, dass Fischschwärme sich vor der Strandmole tummeln und die Restaurants an der Uferpromenade einheimischen Fang anpreisen. Noch fehlen die Gäste, aber verschlafene Kellner putzen schon
mal vorsorglich die Tische und setzen die Stühle so dicht ans Wasser, dass umweltbewusste Gäste ihre Fischgräten an frustrierten Katzen vorbei direkt in den Biokreislauf zurückschnipsen
können.
März-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Griechenland / Kreta:
»Kretisches Kurvenlabyrinth«
»Und gingest Du bis ans Ende der Welt, Du findest keine zweite Insel wie diese«, schwärmte einst der griechische Schriftsteller Nikos Kazantzakis.
Und tatsächlich öffnet Kreta für Motorradfahrer die Arme ganz weit.
Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) ließen sich vom antiken Baumeister Daidalos in sein staubiges Straßenlabyrinth locken.
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»Lügen haben kurze Beine.« Michaelas Kommentar für das Gemälde an der Wand der kleinen Taverne ist kurz und bündig. Glück gehabt, schießt es mir durch den Kopf, als ich auf den Anlasser der ›Transe‹ drücke. MEINE Beine erreichen von der Sitzbank noch mühelos den Boden. »Aber hömma, trägt der Typ auf dem Bild etwa nur deshalb einen Stierschädel auf seinem Körper, weil er gelogen hat?!» Tadelnder Tonfall im Helmkopfhörer. »Nicht er, sondern sein Stiefvater Minos hat gelogen. Und dann hat ihm seine Frau Pasiphaë diesen Minotauros-Mix aus Mensch und Tier geboren, weil sie ihn doch mit einem Stier betrogen hat.« Fast hätte ich die butterweiche Enduro gegen eine Felswand geworfen. »Du willst mich auf den Arm nehmen, oder?!« Entrüstung auf der Gegenseite. »Saaag mal, hast du in Geschichte denn immer nur Kreidler-Prospekte unter der Bank gelesen? Fahr zu, und möglichst nicht so nah an die Felsen, wenn’s geht. Bei diesem Geschaukel kann ich mich kaum auf dem Sozius halten. Den Rest erfährst du, wenn wieder mal ein ›Amerikáno‹ (verlängerter Espresso) vor meiner Nase steht.«
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Ein fies böiger Wind fegt die Kourtaliotiko-Schlucht, bläst uns druckvoll durch den Canyon. Wenig später stehen wir auf einer steilen Klippe hoch über dem Ausgang der Schlucht
und beneiden die Schwimmer zweihundert Meter tiefer am palmenbesetzten Strand von Preveli. Ein friedlicher Showdown des eben noch Schluchtenflitzers ›Megas Potamos‹, mit funkelndem Gegenlicht auf
sanftem Wellengekräusel des Lybischen Meeres. Runterhüpfen, am besten in voller Montur! »Das Mopped tauschst du bitte morgen um! Ich rutsch’ die ganze Zeit in diese blöde Sitzkuhle und krieg
Schläge ins Kreuz!« Ende des Tourentests.
Beruhigung und Einkehr. Zu ersterem treibe ich die ›Transe‹ in die völlig harmlose Kotsifou-Schlucht. Seitenständer neben der winzig kleinen Felskirche Agios Nikolaos. Tür auf, wir passen gerade so rein, Michaela fährt runter. DAS haben die Orthodoxen immer noch drauf. Ein spärlicher Lichteinfall, ein golden glänzendes Ikonenbild des Heiligen mit Dutzenden liebevoll ausgeschmückter Dankeskärtchen, wenn der Hausarzt versagt, der Glaube aber gesiegt hat. Völlig entspannt rollen wir hinab in die Bucht von Plakias. Ein kretisches Postkartenmotiv, mit Tavernendüften zur Mittagszeit und, noch rechtzeitig vor dem ›Amerikáno‹, hochprozentigem Joghurt mit Früchten und Honig. Pappsatt und gestärkt für die Fortbildung in griechischer Mythologie.
Januar-Ausgabe '24 des TOURENFAHRERs:
Spanien / Lanzarote:
»Vom Winter verweht«
Winterzeit ist Leidenszeit, jedenfalls für die meisten Motorradfahrer. Da locken die Kanarischen Inseln mit ewigem Frühling und sorglosem Tourenglück.
Michaela & Udo Staleker (Text & Fotos) haben auf Lanzarote »Aloe vera« als Medizin gegen den Winterblues getestet.
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Rumms! Mit kurzem Schütteln hat der Airbus A320 auf der Landebahn des »César Manrique-Lanzarote Airport« von Arrecife aufgesetzt und uns aus dem Winterschlaf gerissen. Bei der
anschließenden Vollbremsung hätte selbst meine Kati daheim anerkennend mit den Reifen gepfiffen. Junge, Junge, als TUI-Kutscher sollte man auf diesem Flug aber restlos wach in den Tag gestartet
sein.
Zwei Stunden später rollen wir auf der endlosen Promenade von Puerto del Carmen am Meer entlang. Alberto und Agustin von »Moto Rental & Travel« haben uns für vier Tage eine CB 500X
bereitgestellt, dann dürfen wir »upgraden«. Die Dame unter mir stöhnt vernehmlich, altersbedingt, und dann noch zu zweit auf der Sitzbank… »Sag mal, hast du im Winter zugelegt?« Der Rippenstoß
von hinten lässt die Honda weitab der Ideallinie schlingern. »Und du bist auch schon mal besser Motorrad gefahren!“ Retourkutsche, Stich ins Herz. Alberto, wir müssen reden!
In den Bars und Restaurants sind bereits zahlreiche Brexit-Flüchtlinge aus dem Vereinigten Königreich zum kanarischen Triathlon angetreten: Vulkanberge von unten, Kirchen von außen, Lokale von
innen. Happy hour, happy people. Für »Bingo« ist es noch ein bisschen früh, also setzen wir am »Alten Hafen« den Blinker und ‘raus aus der Stadt.
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Tías mag es weiß. Und zwar so gründlich, dass Klementine von »porentief rein“ in neuer Dimension geschwärmt hätte. Weiß getünchte Häuser, ultraweiß der Glockenturm der Dorfkirche
Nuestra Señora de La Candelaria. Und drei, vier Gasstöße weiter trägt selbst der Vulkanberg Montaña Blanca das Unschuldsweiß in seinem Namen. So, als wollte man den schwarzbraunen Auswurf des
Feuerspuckers verharmlosen: »Keine Bange, ihr müsst nicht jede Nacht einen Teelöffel ins leere Trinkglas stellen.« Ein monochromes Landschaftsbild mit kompromisslos weißen Gehöften und Häusern,
umrahmt von sorgsam gesetzten Mauern aus dunklem Lavagestein. Als Malermeister kannst du auf Lanzarote wenig falsch machen und als Steinmetz hast du nur selten die Qual der Wahl. Beides stimmig
zusammenzubringen und mit Palmen, Kakteen und Sukkulenten effektvoll aufeinander abzustimmen, das haben die Lanzaroteños so wunderbar drauf, dass man selbst als farbenverwöhnter Mitteleuropäer
dem rauen Charme extremer Kontraste bald erliegt.
Freies Angasen bis Teguise. Das Urdorf Lanzarotes erhielt schon im 15. Jh den Ehrentitel »Villa Real« und ein verschämter Rest königlicher Ausstrahlung ist unter
Tourismusschminke auch heute noch zu erkennen. Am deutlichsten an einem Wochentag und wenn man bereit ist, die Motorradstiefel für ein Stündlein von den Fußrasten zu heben. Der schachbrettartig
angelegte Ortskern hat zweifelsohne Charme und in mancher der Gassen mit ihren offenen, kühlen Innenhöfen fühlt man sich gar nach »Andalucía« versetzt. Oder man findet eine schlichte Bar, die
noch einen traditionellen »Cortado leche y leche« serviert. Der zweistöckige kanarische Espresso, liebevoll mit süßer Kondensmilch und heißer, aufgeschäumter Normalmilch bereitet, hebt
gnadenlos die Augendeckel und wird für uns schnell zu einem Suchtfaktor. Über einen weiteren ist noch zu sprechen. Geduld bitte, erstmal wieder Motorrad fahren.