Rüber nach Riga

Reisetagebuch Bernsteinstraße   16. Aug. 2018 - Tag: 184 km - Ges.: 3666 km - Eintrag: Michaela & Udo

Von Kuldīga nach Riga (Lettland)

Schwarzhäupterhaus auf dem Rathausplatz
Schwarzhäupterhaus auf dem Rathausplatz

Eigentlich möchten wir noch bleiben - so angenehm ist das Metropol. Ein zweiter Milchkaffee auf der sonnigen Terrasse, dann packen und bereits um 10 Uhr wieder kräftig schwitzen. Wie viele Liter haben wir auf dieser Reise eigentlich schon durch die Poren rausgedrückt? Meine nächtlichen Beinkrämpfe sprechen diesbezüglich Bände…

 

Die Räder rollen über Renda ins farbenfroh beflaggte Sabile. Eigentlich hat der Fuß kurz vor dem Ortsausgang bereits einen Gang runtergeschaltet - doch was war das da gerade im Augenwinkel? Lauter bunte Typen in einem Garten??? Also zurück - und staunen! In Sachen Kunst und Installation derselben macht den Letten so schnell niemand was vor. Da ist jemand auf die Idee gekommen, auf einer freien Wiese neben dem Haus lauter Puppen mit verschiedenen Alltagsklamotten zu gruppieren. Kochen, backen, bügeln, spielen, ausgehen, Motorrad fahren, heiraten, fernsehschauen - was du willst. Einfach eine geile Idee und so unterhaltsam, dass wir das unauffällig positionierte Kässchen gerne klingeln lassen.

 

Fünfzehn Kilometer weiter beamt dich Kandave (dtsch. Kandau) ins Mittelalter. Auf einem steilen Burgberg stehen die Rudimente einer alten Deutschordensburg aus dem 13. Jh. und drum herum gruppieren sich die Häuser des 4000-Seelen-Ortes mit teilweise supersteilen holprigen Kopfsteinpflastergassen. Das ist was für Michaela - besonders wenn Udo sie zum Wenden auf diesem Terrain auffordert…

 

Riga ist eine Stadt voller Leben
Riga ist eine Stadt voller Leben

Wir machen Meter, nehmen die flotte A10 und wollen noch am frühen Nachmittag in Riga ankommen. Tukums und das alleenreiche und hübsche, aber bereits von den Neureichen eroberte Jūrmala werden lediglich mit einer Stippvisite abgespeist, dann gehört die Aufmerksamkeit der Landeshauptstadt Riga. Echt Großstadt, mit sehr viel Verkehr, noch mehr Staus und den üblichen Scherzen der Verkehrsgeißel. Doch ansonsten alles bello. Riga ist vieles in einem: Kulturhauptstadt Lettlands, sein erster Finanzplatz, Panoramajuwel an der Düna mit Petri-, Jakobuskirche und Dom - sehr spektakulär von der ruhelosen, modernen Drahtseilbrücke aus zu bewundern, Altstadtperle mit viel Atmosphäre und Partystadt für jung und alt. Wir finden nach mehreren Anläufen das Rixwell-Hotel Konventa Seta mitten in der Altstadt im Hof eines ehemaligen Nonnenklosters. Booking.com hat’s gewusst und Michaelas schnelle Finger haben’s gefunden. Wie angenehm sind doch flotte Frauen. 

 

 

Und als ich mit etwas Nachdruck den Hotelmanager überredet habe, die beiden Hondas direkt im Hinterhof verbotenerweise unter unserem Fenster zu parken (15 Euro - dann geht alles 😇), sind wir bereit zur Altstadtattacke. Keine halbe Stunde später hat Riga zwei neue Liebhaber. Gott - ist diese Stadt schön, attraktiv, zum Dableiben. Wir promenieren, bewundern „unsere“ Buddy Bear-Ausstellung auf dem Domplatz — ein Gastgeschenk aus Deutschland anlässlich der 100-jährigen Staatsgründung (1918-2018) — entdecken bezaubernde Gassen mit viel Kopfsteinpflaster und wunderschönen Jugendstil-Hausfassaden, lauschen den zahlreichen Straßenmusikanten, bestaunen Künstler und Akrobaten. Überall Atmosphäre, überall Musik — in jedem Lokal spielt eine Band — und wenn du erst in einem der gemütlichen Restaurant- oder Barfauteuils auf der Straße gelandet bist und dein Bierchen schlürfst, willste nicht mehr ins Bett. Danke, Riga, für diesen tollen Abend. Genießt die Fotos, Freunde! -

 

Nachtrag:

Ganz besonders beeindruckend für geschichlich Interessierte ist eine anschaulich bebilderte Ausstellung zu Rigas Entwicklung über die letzten 100 Jahre auf der "Kalku iela". Informative Texte, beeindruckende Schwarzweißbilder und für Deutsche und Russen gleichermaßen ein "Schäm dich"-Spiegel. Ich krieg dieses Gefühl einfach nicht unter den Tisch und könnte schreien, wenn man überall auf Reisen in Europa in diese "nur" zwölfjährige nazibraune Kacke treten muss. Und ich tröste mich dann zuweilen mit Bert Brecht und seiner Abbitte in dem Gedicht "An die Nachgeborenen":

 

"Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut

In der wir untergegangen sind

Gedenkt

Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht

Auch der finsteren Zeit

Der ihr entronnen seid. 

(...)

Ihr aber, wenn es so weit sein wird

Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist

Gedenkt unser

Mit Nachsicht."

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