Putin, wir kommen!

Reisetagebuch Bernsteinstraße   11. Aug. 2018 - Tag: 181 km - Ges.: 3095 km - Eintrag: Michaela & Udo

Von Gdansk/Danzig (Polen) nach Kaliningrad (Russische Föderation)

Der Dominikanermarkt verschafft uns eine unruhige Nacht im „Pica Paca Hotel“, welches zugegeben zentral liegt, aber natürlich jeden Atemzug der Nachtschwärmer in unser Zimmer ohne Klimaanlage überträgt. Selbst Oropax kann nicht verhindern, dass wir vom Joint-Gelalle bis hin zu handfestem Beziehungskrach in gehobener Tonlage alles mitbekommen, was einen Nachtschwärmer so drückt und endlich mal raus muss. Gegen 6 Uhr morgens brennt meinem Mann die Sicherung durch (Eigentlich erstaunlich, wie lange er durchgehalten hat..) und er röhrt einige Imperative hemmungslos in die Danziger Nacht hinaus. Schade um die Energie - aber es hatte Unterhaltungswert ;-)

 

Ein leckeres und nahrhaftes Frühstück versöhnt uns völlig und beim Ketteschmieren und Beladen der Bikes haben wir noch ein nettes Gespräch mit Michael aus Staffelstein in der Fränkischen Schweiz, der unsere Motorräder vor dem Hotel entdeckt hat und sich als TF-Leser outet. Er hat unsere 2012er Weichselgeschichte im Tankrucksack und tourt mit seinem Freund und zwei BMWs durch Polen. Wir tauschen Tipps und Erfahrungen und freuen uns einfach an dieser netten Begegnung.

 

Anschließend geht es quer durchs bereits wieder sehr lebhafte Marktgewühle zum Fototermin gegenüber dem Krantor. Auf der Mottlau ist mächtig was los und trotz des fahlen Lichts bei bedecktem Himmel gelingen uns ein paar schöne Schüsse, als der dekorative Ausflugssegler vor dem Anleger wendet. Dann aber los -  ich muss Udo regelrecht antreiben… Danzig hat es ihm angetan, immer noch und immer wieder. Heute geht es nach Kaliningrad, nach Russland. Ein wenig Aufregung macht sich da schon breit und bei dem gedanken an den russischen Zoll grummelt es ein wenig im Magen. Als Schengenbürger sind wir Reisefreiheit und kaum noch Grenzkontrollen gewohnt, doch heute wollen wir in ein Land einreisen, welches schon im Vorfeld strenge Visavorschriften anlegt. Was erwartet uns wohl an der Grenze kurz hinter Frombork? Und wieviel Zeit werden wir wohl brauchen? Doch zuerst geht es noch einmal zu Kopernikus und seinem Foucaultschen Pendel nach Frombork. Der Weg führt uns über Mikoszewo an der Küste entlang, dann mit der Fähre über den Weichseldurchstich nach Stegna. Da an diesem Wochenende ganz Polen wohl auf Sommerfrische aus ist, stehen die Autos ab Nowy Dwór Gdański im Stop’n’go Richtung Elblag. Wir setzen den Blinker nach links und kürzen auf kleinen Nebensttecken am frischen Haff entlang nach Tolkmicko ab. Hügelig und wellig gleitet die Landstraße an alten Alleenbäumen entlang nach Frombork. Petrus lässt Gnade vor Recht ergehen, regnet knapp vor uns ab, so dass wir mit lediglich regenfeuchten Straßen in Frombork einlaufen. Im „Gallerie-Café“ am historischen Wasserturm gibt es Baiser-Rumtorte und Kopernikus gegenüber leuchtet auf seinem Denkmal in der milden Nachmittagssonne. Das Staugenerve ist bald vergessen.

 

Ein paar Kilometer weiter in Gronowo dann die russische Grenze. Eine polnische Grenzbeamtin übt mit uns Abschnallen und Taschen öffnen und dann stehen wir eine Stunde lang mit vielen polnischen Autofahrern an.

Die Passkontrolle geht noch relativ zügig vonstatten, doch mit dem Zoll haben wir wieder einmal unseren Spaß. Ein Übersetzungsfehler in der Zollerklärung - für „Fahrzeug“ wird das Wort „Gepäckstück“ verwendet, worauf wir eine „5“ in das Kästchen malen - verschafft uns das Vergnügen, das Formular mit einer Fehlausfüllung insgesamt fünf Mal schreiben zu dürfen! Eh, und mein Mann bleibt da völlig ruhig. Der regt sich doch sonst über alles auf…Ein fetter Kopierer steht übrigens neben der Zollbeamtin auf ihrem Schreibtisch - und TippEx geht natürlich gar nicht… Und dabei grinst sie und spielt die Genervte, weil wir es nicht gleich checken. DOCH, UDO, sie hat GEGRINST!!! 😤

Wer Böses denkt, glaubt an Schikane. Raus aus dem Zollgelände sind 5 km/h angesagt, dann über gute 500 Meter 30 km/h. Und schau’ mal, da stehen die Jungs mit einer Radarpistole in der Hand und auf dem Schild kurz hinter der Grenze stand: „Welcome in Russia“. Ja, geht’s noch..!?

 

Der Blick auf das Navi zeigt, dass wir mit dem letzten Büchsenlicht in Kaliningrad ankommen werden. Und die drohenden Gewitterwolken über dem Frischen Haff tun das Übrige, um unser Nervenkostüm zu schikanieren. Die CRFs geben alles auf den letzten 40 Kilometern bis Kaliningrad. Schlichte Dörfer mit noch schlichteren, oft ärmlich wirkenden Häusern und Gehöften fliegen vorüber. Wir halten uns an die zumeist auf 60 oder 70 km/h begrenzte Geschwindigkeit, werden aber dann teilweise halsbrecherisch überholt. Abstand zum Bike und Einschätzung des Gegenverkehrs scheinen vernachlässigbare Größen im russischen Straßenverkehr zu sein. Gott sei Dank ist auf den pfeilgeraden Alleen wenig los, so dass wir uns allmählich an den neuen "Fahrstil" gewöhnen können. Erste Hektik beim Eintreffen in Kaliningrad. Herrgott, was haben die für Straßen. Da beginnt das Enduroabenteuer ja bereits auf dem löchrig-welligen Kopfsteinpflaster. Dazwischen Straßenbahnschienen mit fetten Absätzen, in denen sich wunderbar das schmale 21er Vorderrad verkanten kann. Also aufpassen und einen stumpfen Winkel beim Überfahren einhalten, wobei man sich keinesfalls auf eine Fahrspurdisziplin bei den Kaliningrader Autofahrern verlassen kann...

 

Eine seltsame Melange von Fahrzeugen rollt durch die Innenstadt. Uralte Passats und Dacias, die bereits kräftig aus dem Rohr rauchen, daneben top-moderne BMW und Mercedes, die offensichtlich gerade erst den Weg über die Grenze gefunden haben. Der Fahrzeugpark spiegelt die Gesellschaft: Die Mehrzahl der 500.000 Kaliningrader kämpft mit bescheidenen Einkünften tagtäglich ums Überleben und eine kleine, aber deutlich wahrnehmbare Oberschicht an Neureichen gönnt sich vieles bis alles.

 Das TomTom leitet uns leider nicht zum vorgebuchten IBIS-Hotel, sondern in einen Hinterhof zu einer Motorradkneipe. Glück gehabt! Die Kaliningrader Biker sind super hilfsbereit und eine junge Frau springt auf ihren Honda Roller und macht ihrem Kuttennamen „Road Witches of Kaliningrad“ alle Ehre. Sie reitet wie auf einem Besen voran und mit den ersten dicken Regentropfen erreichen wir das Hotel. Sekunden später beginnt es zu prasseln! Wie lange hätte die Hotelsuche wohl mit Durchfragen oder dem Entziffern der Verkehrsschilder gedauert? Bei unserem Russisch… 

 

DANKE, liebe Straßenhexe! 😘 Auf dem Weg zurück in Deine Kneipe bist Du sicherlich nass bis auf die Knochen geworden. Sorry for that! Thank you for your kindness, my lovely Witch! -

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Harri (Montag, 13 August 2018 06:35)

    Sehr schöne Bilder und schön zu lesen … Gute Reise weiterhin und möge das Wetter Euch wohlgesonnen sein :)

    Liebe Grüße

    Harri

    PS: Danke für die liebe Mail, antworte aber erst in sieben Tagen. Ich habe gerade Urlaub und habe es am Freitag leider nicht mehr geschafft ;)

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