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Wolkig, neblig, heiter: Durch die Berge von Khalkhal

Masuleh - Miyaneh: 480 km

Vom Schaf zum Kebap...
Vom Schaf zum Kebap...

Wir wachen um 6 Uhr auf, weil vor dem offenen Fenster jemand trommelt. Also ehrlich, das ist mir jetzt doch etwas zu aufdringlich… „Udooo, es schüttet!!!“ Michaelas Wetterbericht macht mich schlagartig wach. Regen? Im Iran? – So langsam setzt die Erinnerung ein: Elborz-Gebirge, Nähe Kaspisches Meer, feuchte Schwüle, Hotel Masuleh… Den Rest erklärt der kleine Badesee auf meiner Pritsche. Allah, haben wir geschwitzt!

Nebel und Regen in den Bergen von Masooleh
Nebel und Regen in den Bergen von Masooleh
Hautnah dran sein in Fuman
Hautnah dran sein in Fuman

Frühstück? Fehlanzeige! Das halbe Hotel pennt in der „Lounge“ auf Sesseln und Sofas. Wenigstens `n Cay? Der erste Typ, den ich wachrüttel, hat wahrscheinlich Mordgedanken, aber auf jeden Fall null Bock, in der Küche den Wasserkessel aufs Feuer zu stellen. Wir packen, tragen das Gepäck an die noch trockene Startrampe vorm Hotel; bis ich das Regenzeug (…im IRAN!!!) aus den Alukoffern gekramt habe, bin ich pudelnass. Und nun die Regenanzüge über die noch feuchten Enduroklamotten ziehen… Es gibt Dinge beim Motorradfahren, die muss man nicht haben, und jeder vernünftige Europäer würde jetzt „Hey, Taxi!“ rufen, aber… Kein Aber, Schluss jetzt! Um acht Uhr melden sich die Enduros zu Wort und zwei hungrige Mägen rollen durch einen gnädigen Schnürlesregen zurück nach Fuman.

Alles Banane in Fuman
Alles Banane in Fuman
Markt in Fuman
Markt in Fuman
Iranischer Campingplatz bei Masuleh
Iranischer Campingplatz bei Masuleh
Marktgeschehen in Fuman
Marktgeschehen in Fuman
Feinstes Tuch in Fuman
Feinstes Tuch in Fuman

 

Dreißig Kilometer später darf der Trockengang gewählt werden. Beim erstbesten Straßen“café“ gehen wir rechts ran. Wir lieben diese improvisierten Buden, wo es Tee, Fisch, Döner , Khavalte (Frühstück), Käse, Huhn am Spieß oder irgendeinen improvisierten Snack gibt. Mini-Existenzen mit Atmosphäre, selten sauber oder perfekt, dafür original bis originell, einfachst, aber herzlich bemüht. Das passt zum Motorradreisen, da bist du ganz nah dran, auf Tuchfühlung mit den Menschen dieses Landes. Ein paar Männer frühstücken deftig, wir dürfen uns dazu setzen, der Wirt wieselt, bringt unaufgefordert Cay im Doppelpack – ein Menschenkenner und Minenleser. Uns geht’s wieder mal gut!

Echte Besenbinder...
Echte Besenbinder...

Umzingelt von Alt und Jung
Umzingelt von Alt und Jung

Eine Stunde später kracht’s. Also nee, nicht schon wieder. Irgendeine Schlafmütze ist mir von hinten in die Kati gerutscht. Ich mag so was nicht! Hab‘ ich beim ersten Mal schon dem Typ in Shiraz gesagt, als er im Stau versuchte, auf diese Tour mit mir anzubändeln… Allah sei Dank, ist auch diesmal nicht viel passiert. Der Touratech-Spritzlappen hat als Stoßlippe fungiert und den direkten Kontakt mit dem Rücklicht verhindert. Werd‘ ich der Firma berichten; das können die glatt als Verkaufsargument nutzen ;-) Apropos Stau – wir brauchen aus Fuman `raus fast eine Stunde – und dort wohnen nur 40.000 Leute…

Zwiebeln im Familienpack
Zwiebeln im Familienpack

Von Sowma’eh Sara bis nach Rezvan Shar an der „Küsten“straße entlang dem Kaspischen Meer fliegen wir mit Mücken um die Wette. Dann erlöst uns bei Asalem eine Abzweigung nach Khalkhal von den Subtropen und ein beinharter Bergpass erinnert aufs Angenehmste daran, dass man die Enduros, die wir dabei haben, auch im Iran artgerecht nutzen kann. Schlaglöcher, geflickte Fahrbahndecke, Frostaufbrüche, tiefe Rinnen quer über die Straße, ab und zu aufgeschwemmte Erdflecken vom letzten Regenguss. Die Kati rezitiert aus Goethes Faust „Hier bin ich Tier, hier darf ich’s sein!“ und ist mal wieder stolz darauf, ein „R“ in ihrem Namen zu führen…

Familienpack mit Kebap
Familienpack mit Kebap

Die Route führt ohne lange zu fackeln in eine archaische Gebirgsregion. An den Bergflanken kleben die ärmsten Dörfer, die wir je gesehen haben. Am Straßenrand hier und dort Hütten und improvisierte Buden mit allem, was die Region so bietet. Der Höhepunkt des Bergmarktes sind Schlachter, die unter den faszinierten Blicken von Kunden und Kindern ihre Lämmer häuten, zerlegen und in verkaufbare Portionen eintüten. Das wäre doch was für unsere Kiddies, die zum Großteil glauben, dass Schweinefleisch bereits als Schnitzel zur Welt kommt… Auf ca. 1900 Metern Höhe ziehen schließlich dichte Nebelschwaden über die Fahrbahn und die Passhöhe in 2350m ertapsen wir mehr, als dass wir sie erfahren. Die Temperaturen sind inzwischen gewaltig in den Keller gerauscht, von Mitte 30 auf absolut coole 12 Grad, so dass wir in den Endurojacken gewaltig schlottern. Nach über zwei Wochen Hitzebombardement sind Stoff und Reißverschlüsse völlig verstaubt und ausgetrocknet, so dass sich die Reißer kaum mehr schließen lassen. Eine echte Herausforderung für Louis, Polo, Gericke und Co., fall sich die verantwortlichen Damen und Herren dort überhaupt mal selbst mit einem ihrer Produkte auf ein Motorrad setzen. (Man hat nicht immer den Eindruck…)

Einsame Bergdörfer
Einsame Bergdörfer

Einer in astreinem Farsi geschrieben Ausschilderung verdanken wir noch eine Verlängerung des heutigen fahrerischen Hypes. Ich fahre „professionell“ nach Kompass und wir landen ein „wenig“ abseits unserer Route in Kivi, eingezwängt in eine spannende Schluchtenlandschaft, und gesegnet mit den altvertrauten 35 bis 40 Grad im Fahrtwind. Tja, mein lieber Kreislauf, da musst du wohl durch… Auf der Weiterfahrt über Aq Kand hinunter nach Sarcham im Flusstal des Zarigan Rud (immer noch über 1000m)!! zeigen uns Iraner, was sie straßenbautechnisch zu leisten imstande sind, wenn die finanziellen Mittel bereitstehen. In breitesten Schwüngen geht es auf Musterasphalt bergauf und bergab, panoramabegleitet von karamell- und sierrabraunfarbenen Bergrücken und imposanten Schluchten. Gewaltig!

Auch im Nebel schön... das Kuhha-ye Tales-Gebirge
Auch im Nebel schön... das Kuhha-ye Tales-Gebirge

Am späten Nachmittag stoßen wir auf die Landstraße 32 Richtung Tabriz, schwelgen noch ein wenig in den wunderschönen Farben des allmählich hinter den Bergen versinkenden Sonnenlichts und finden in Miyaneh auf Anhieb das Hotel Solmaz (GPS: N 37° 26.150‘ // E047°42.408‘). Der Hotelier spricht kein Wort Englisch, wir nur zwei-drei Wörter Farsi. Doch der Mann kann unsere Körpersprache interpretieren, bietet hinterm Haus sogar einen sicheren Abstellplatz für die geplagten Bikes an und gibt in der Küche die richtigen Anweisungen. Wir sind hundemüde, aber so richtig satt – vom Fahren und vom Schauen. Wenn einem so viel Fremdes widerfährt…

Michel macht Dampf...
Michel macht Dampf...
Breite Schluchten, weites Land
Breite Schluchten, weites Land
Gut ausgebaute Passstraßen auf dem Weg nach Miyaneh
Gut ausgebaute Passstraßen auf dem Weg nach Miyaneh

Die Abendsonne vergoldet das Land
Die Abendsonne vergoldet das Land
Schöner Busen vor Miyaneh
Schöner Busen vor Miyaneh
Oh happy day...
Oh happy day...

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Kommentare: 2
  • #1

    Achim Landwehr (Freitag, 23 August 2013 22:35)

    Hi Michaela und Udo,

    wünsche euch wie John A. Helliwell gerne bei Take the Long way home angekündigt, driving slowly and safely back home again. Nice Fotos vom Bergabstecher und schöne Fotos von interessanten Menschen. Gute Heimreise, beste Grüße Achim

  • #2

    stefan (Sonntag, 25 August 2013 11:27)

    Da kommt Fernweh auf! Toller Blog! Großartige Bilder geben einem die Chance vor dem heimischen PC etwas mitzuschauen und zu staunen. Wünsche Euch auf dem Weg Richtung Westen alles Gute und weiterhin die Muse das Erlebte so zu dokumentieren. Ihr verändert das Bild, das "man" vom "Iraner" hat! Reisen bildet und dank Euch auch die, die nur gedanklich dabei sind. Immer schön mit dem Profil auf dem Untergrund bleiben :-) LG Stefan

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