Grenzstation Gürbulak/Bazargan. Wir kommen gegen 11 Uhr am Schlagbaum an, vorbei an zwei-, dreihundert wartenden Trucks, die vielleicht noch in diesem Leben abgefertigt werden. Unglaublich, was man den Truckern in der Hitze zumutet. Die Türken lassen uns ohne lange Diskussionen passieren und nach den Erfahrungen von vor zwei Jahren, als man uns über fünf Stunden auf die Einreisestempel warten ließ, genießen wir dieses Erlebnis. Allaha ismaladik – auf Wiedersehen in 14 Tagen…
Die iranische Grenzgeschichte beginnt eigentlich ganz gut: Eine zuvorkommende, sehr höfliche und dazu noch bildhübsche (Pardon, Michel!) Kommissarin regelt die Einreiseformalitäten, während einer jener berüchtigten Helfer sich um die Stempel in unseren Reisepässen kümmert. Dafür will er unverschämte 50 Euro, wir protestieren, machen einen auf sauer bis zornig und schließlich einigen wir uns auf 20 Euro „tip“. Ein seltsamer Filz, denn die „Helper“ werden an der Grenzstation akzeptiert, ja, man empfiehlt uns sogar noch einen der Herren für einen Geldwechsel. Auf privater Basis, versteht sich, denn der offizielle Kurs der Banken ist um vieles schlechter und beim privaten Tausch ist dann sogar noch eine fette Provision für die Helfer drin. Wir wollten besonders pfiffig sein und haben uns für den Iran kurz vor der Fahrt eine Tauschtabelle ausgedruckt, die wir nun dem Geldtauscher unter die Nase halten – als Warnung sozusagen. Er tauscht bereitwillig zu dem von uns vorgeschlagenen Kurs, zieht seine 10% Provision ab, und wir sind zufrieden, einmal nicht über den Tisch gezogen worden zu sein. Erst am nächsten Tag erfahren wir, dass der iranische Rial gegenüber dem Euro nochmals um 20 Prozent gefallen ist – in nur einer Woche! Kein Wunder grinst der Geldtauscher nach dem Deal so zufrieden…
Richtig ärgerlich wird’s in der zweiten Baracke beim Zoll. Unsere Carnets de Passage bekommen zwar anstandslos die nötigen Stempel für die Bike-Einfuhr, doch dann geht’s um die Haftpflichtversicherung für die Motorräder. Direkt neben dem letzten Schlagbaum steht das Gebäude der „Iran Insurance“ und man weiß schon beim Hineingehen, dass man gleich beschissen wird. Die Frage ist nur noch, in welcher Höhe. Die Kommunikation mit dem Versicherungsmann klappt erneut nur mit einem „Helper“ und was die beiden Knaben da verkuddeln, mündet in satten 130 Euro für zwei Motorräder. Für ein Jahr, versteht sich, weil wir ja schließlich im Iran Wurzeln schlagen wollen. Aber was willste machen? Du ölst auf deinem Stuhl vor dich hin, willst endlich raus aus dieser Sch…grenzstation, und wenn es draußen knallt und man kann gegenüber der Polizei keine iranische Versicherungskarte vorweisen, dann lochen sie einen erstmal ein und man darf den gesamten Schaden „cash“ bezahlen. OK, ich unterschreibe und schlucke den Ärger herunter. In Orumiyeh sagt mir Hossein, in dessen Guesthouse wir übernachten, dass man für Bikes ca. 20 – 25 Euro Versicherungssumme bezahlen muss. Er fährt für seine Gäste teilweise extra an die Grenzstation Esendere, um die Verhandlungen zu führen… Egal! Wir denken zum Ausgleich an die bodentiefen Benzinpreise in unserem Reiseland, denn nach spätestens 2-3 Tankfüllungen haben wir den Verlust wieder drin.
Benzin kostet für Touristen 7000 Rial pro Liter; das sind 16 Cent. Hallo, Herr Ramsauer, mal genau herhören!!! Iraner zahlen übrigens nur 4000 Rial; allerdings gilt dieser Preis für maximal 60 Liter im Monat. Wäre doch auch mal eine gute Idee, Herr Ramsauer – so’n kleiner Heimvorteil! Sonst seid ihr Bayern doch immer so patriotisch drauf…
Nach zweieinhalb Stunden gehört uns wieder die Landstraße. In Maku füllen wir erst einmal unseren inneren Tank auf. Ade Efes, willkommen Istak! Ein erfrischendes Malzgetränk, das es im ganzen Iran in diversen Geschmackrichtungen gibt. „Lemon“ und „Peach“ sind unsere Favoriten und natürlich dürfen wir nur im Laden trinken. Schließlich ist Ramazan und wer will da schon blöd auffallen..? Als wir weiterfahren wollen, ist Michels Endurobrille weg. Was ist das denn? Bisher konnte man im Iran den Zündschlüssel steckenlassen. Werden hier denn keine Hände mehr … okay, das ist geschmacklos! Bis nach Margan kommt jedenfalls nichts mehr aus den Helmlautspechern; nur gut, dass wir alles Wichtige doppelt und dreifach dabei haben…
Die Fahrt über Qara Ziya‘ Eddin und Ev Oughli nach Khoy ist eine wunderschöne Einstimmung auf den Iran. Die Ausläufer des Grenzgebirges zur Türkei setzen dem fruchtbaren Flusstal des Zamur Chay einen würdigen Hintergrund und schaffen im weicher werdenden Licht der Nachmittagssonne einen goldbraunen Rahmen, der einen fast beseelt dahingleiten lässt. Bis nach Salmas haben wir noch Tageslicht, dann heißt es, die restlichen 100 Kilometer bis Orumiyeh (Urmia) in der schlagartig vom Himmel fallenden Dunkelheit zurückzulegen. Genau das hatten wir eigentlich vermeiden wollen, aber in Urmia wartet Hossein in seinem „Biker Guesthouse“ – und dieser motorradbegeisterten Facebook-Bekanntschaft wollen wir endlich ein lebendiges Gesicht verleihen. Bei der Ankunft in Urmia bekommen wir einen kleinen Vorgeschmack von dem, was uns verkehrstechnisch in iranischen Städten erwarten wird. Freunde, vergesst alles, was ihr über Verkehrsregeln noch im Kopf habt. Druff und durch! Wer bremst, hat verloren und wird gnadenlos abgedrängt. Ich verliere Michaela mehrfach im Verkehrsgewühl und wir sind einmal mehr froh, uns wenigstens über die Helmsprechanlage durchlotsen zu können. Zum ersten Mal macht sich die Iran-Karte im Navi bezahlt. Landstraßen-Routing ist nicht ihre Stärke, doch zum Auffinden von eingeplotteten Waypoints scheint sie zu taugen. Wir finden schließlich Hosseins Adresse und erreichen ihn per Telefon. Die Menschenmenge am Straßenrand rund um unsere Motorräder dürfte bis zu seiner Ankunft das halbe Hundert erreicht haben. Neugier ist eine ganz große Stärke vor allem junger Iraner: „Da stehen welche, na, da halt ich doch mal an!“ Charmant und etwas nervig zugleich, je nachdem, aus welchem Grund man stehengeblieben ist…
Hossein und seine Familie sind ein Volltreffer. Doch dazu morgen mehr – wir sind hungrig und alles in allem auch ziemlich müde… Am Abend laden wir die Familie zum Kebap in ein schönes, stimmungsvoll illuminiertes Gartenrestaurant ein. Wir zahlen 14 Euro – für Essen und Getränke… Die nächtliche Heimfahrt durch Orumiyeh zeigt noch etwas Sympathisches: Iraner mögen Farben und Licht – und das spricht doch für eine durch und durch positive Lebenseinstellung. -
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