Verlorenes Paradies

Sar-e Eyn – Sharaf Khaneh: 320 km

So ein Frühstück hatten wir noch nie. Wir lernen das als "Meterware" gepresste Fladenbrot am Morgen in gesüsster Form kennen, bekommen dazu einen Topf frisch gestampfte Butter mit Honig und eine Kanne Tee. Jaaah, so kann man durchaus den Tag beginnen.

Die Enduros tragen uns auf einer gut ausgebauten Straße nach Nir und weiter über ockerfarbene Höhenzüge nach Sarab. Wir rollen an ärmlichen Dörfern vorbei, deren ummauerte Häuser noch ganz traditionell aus Lehmziegeln erbaut sind. Auf ihren Flachdächern und in den Innenhöfen lagern riesige Strohberge als Vorrat für den Winter. Die verputzten Lehmmauern sind häufig mit Farsi-Zeichen bemalt, wodurch das trübe Braun der Dörfer ein wenig aufgefrischt wird. Nur selten huscht mal eine Frau in schwarzer Burka von einem Haus zum anderen, einige wenige Männer sitzen in Hockstellung vor ihren Häusern, ein angebundener Esel meditiert regungslos vor sich hin. Die Mittagssonne brennt und lässt das Leben über Land erstarren.

Sarab ist Allah noch näher als andere iranische Städte. Wer die "Speed bumps" und die an jedem Stadteingang lauernden Polizeiposten hinter sich hat, spürt förmlich den religiösen Tiefgang dieser Stadt. Die Frauen sind ohne Ausnahme schwarz verschleiert, das Geschäft in den Läden und auf der Straße besorgen ausschließlich Männer, und als wir völlig dehydriert eine Flasche Istak (schmackhaftes Malzbier im Null-Promille-Bereich) am Straßenrand neben unseren Bikes trinken, werden wir doch ziemlich deutlich darauf hingewiesen, dass dies während des Ramadans nicht üblich sei. Ich kontere mit dem Hinweis, dass Allah dem Reisenden sehr wohl das Trinken erlaube und ernte verständnisvolles Kopfnicken. Versuchen kann man es ja mal ...

Die raue Bergtour mit dem wegbegleitenden Panoramablick auf das Kuhha-ye Sabalan-Massiv endet in Bostanabad. Ab hier übernimmt eine Schnellstraße das Regiment und katapultiert uns innerhalb einer Dreiviertelstunde in die Millionenstadt Tabriz. Eine Stadt zum Verglühen. Die Luft flimmert über dem Häusermeer im Talkessel, der Asphalt ist weichgekocht, und auf den Ausfallstraßen drängeln dreispurig völlig durchgeknallte Iraner mit Tunnelblick. Großstädte verderben grundsätzlich den Charakter, ganz gleich in welchem Land.

Eine Stunde später sind wir dem Kessel entronnen (Warum hat man die Stadt eigentlich nicht auf die umliegenden Berge gebaut?) und eilen auf einer Schnellstraße nach Sufiyan.

Von hier zweigt eine Nebenstraße zum Salzsee von Orumiyeh ab und auf der Karte locken bei Sharaf Khaneh die Zeichensymbole für "Hafen" und "Hotel". Wir sehen uns bereits am Seeufer flanieren und einen kühlen Drink an der Hotelbar nehmen. Ernüchterung bei der Ankunft. Den See gibt's so nicht mehr, will heißen, er war mal da, ist aber inzwischen weg und hat nur seine Salzwiesen hinterlassen. Alle Anlegerbuhnen stehen auf dem Trockenen, die Uferpromenade ist verfallen, die Picknickpavillons am Steinstrand rosten gerade durch. Und die kleine Ferienanlage mit Reihenbungalows, in der man einst seinen Seeurlaub verbringen konnte, verströmt einen Ostblockcharme wie kurz nach der Maueröffnung. Ein einziger Wärter muss noch ausharren und die drei, vier Reisenden, die sich pro Monat hierher verirren, mit einem Zimmer versorgen und deren Personalien akribisch genau in Karteikarten übertragen. Stolz zeigt er uns, dass ein gewisser Michel aus Frankreich vor einem Monat hier mit dem Fahrrad durchkam und dass es sogar einen Kühlschrank mit Getränken gibt.

 

Letzteres adelt den Mann und so packen wir kurz entschlossen unsere Bordküche aus und werfen den Kocher an. Nudeln à la Napoli aus der Fertigpackung, Kekse aus Bileh Savar, eine Büchse Cola und eine Flasche Istak – es ist unglaublich, was einem alles schmeckt, wenn man genug Kilometer gemacht hat. Das stickig-warme Zimmer tauschen wir allerdings gern gegen unser Zelt auf der Terrasse vorm Haus, nachdem Michaela einmal Frosch- und ein weiteres Mal Ameisenalarm gegeben hat ... 😳

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