Zu hoch gepokert?

Die kleine Oase hinter den unscheinbaren Mauern des Terrace-Hotels hält uns an diesem Morgen noch eine Weile gefangen. Eine noch schüchtere Morgensonne schickt sich an, durch die dichten Wolkenbänke zu pieksen und als wir gegen zehn Uhr endlich loskommen, zeichnen sich am Horizont tatsächlich die noch schwarz ummantelten Konturen der Kaukasus-Berge ab. Für dieses Mal müssen wir es bei einem Abschiedsblick belassen, denn der heutige Tag wird von der Uhr diktiert.

Mit kräftigem Rückenwind erreichen wir Baku gegen Mittag, rauschen auf der vierspurigen Umgehungsstraße an dem undurchdringlichen Häusermeer vorbei, lassen die letzten Ölfördertürme links liegen, streifen bei Sixov Beach und Qobustan das Kaspische Meer und die ersten Bemühungen, dort ein kleines touristisches Seebad zu errichten. Bei Älät, an der Abzweigung von der M3 zur M4 reißt urplötzlich der Faden, die Auffahrten Richtung Astara sind beidseitig gesperrt und wir müssen über Qazimämmäd ins Landesinnere ausweichen.

Durch die Wüste, 2. Teil. Nicht weit von dem allmählich verlandenden Hazagabul-See entdecken wir einen nicht mehr aktiven Schlammvulkan. Bei Qobustan gibt es auch noch aktive Vertreter dieses Naturphänomens, aus dem die Erde unheilvoll zu atmen scheint.

Ab Äli Bayramli tauchen erneut Erdölfelder und Förderanlagen auf, die Straße wird zunehmend schlechter, mit riesigen Schlaglöchern, Quer- und Längsrillen und gefährlichen Aufwellungen des Aspahlts von bis zu 30cm Höhe, so dass wir höllisch aufpassen müssen, die Enduros nicht zu versenken. Das Federbein der Ténéré geht mehrfach auf Block und die gute Peggy verbiegt sich wie eine türkische Bauchtänzerin.

Die schweren, meist überladenen Trucks haben wahrlich ganze Arbeit geleistet. 


 

Zwischen Salyan und Biläsuvar führt die Straße durch Sumpfgebiete und an Seen vorbei, die Schwärmen von Vögeln und Fischreihern ein Zuhause bieten, auf unserer Karte aber noch nicht einmal eingezeichnet sind. Es wird es dermaßen heiß und drückend, dass wir eine Pause dringend brauchen und trotz der knappen Zeit bis zur Grenze in Biläsuvar noch einmal Rast machen, unseren Wasservorrat auffüllen und ein wenig Proviant besorgen. Wer weiß, was uns auf der iranischen Seite erwartet… In den Ortschaften gibt es bei Pausen inzwischen keine echte Ruhe mehr für uns.

Sofort sind die Motorräder umringt, zuerst von Kindern und Jugendlichen, dann kommen die Männer hinzu, und wir müssen erst mal Rede und Antwort stehen. Neugier und Interesse an allem Fremden sind riesengroß. Ab und zu spricht jemand ein paar Brocken Englisch oder war sogar schon einmal in Deutschland, zumeist Fernfahrer, die eine Ladung nach Holland gebracht haben. Dann geht es um Dresden, Berlin, München, Stuttgart, Michael Ballack und natürlich Berti Vogts. Die Männer werfen sich jedesmal weg, wenn wir einander mit Gesten verdeutlichen, dass es mit Aserbaidschans Fußballnationalelf bergab geht, seit Berti in diesem Land den Coach gibt. Bis 19 Uhr soll die Grenze zum Iran geöffnet sein, doch als wir nach 430 harten Tageskilometern in dem Grenzdorf Biläsuvar endlich eintreffen, schließen die Grenzsoldaten auf der aserbaidschanischen Seite gerade das Tor. Wir sind pünktlich und doch zu spät – und ich habe das dumme Gefühl, dass wir diesmal zu knapp kalkuliert haben.

Wir machen dem Grenzposten klar, dass unser Visum nur bis zum heutigen Tag, dem 18. August, Gültigkeit hat und fragen, ob wir dann "sabah" (morgen) ausreisen dürfen. "Yox!" (Nein!) lautet die plötzlich sehr barsche Antwort und in meinem Notizbuch kreuzt der Grenzbeamte den 19. kategorisch aus. "Baku, Konsulat!" – wir sollen wohl zurück nach Baku, um dort beim Außenministerium eine Verlängerung unseres Transitvisums zu beantragen. Ausgeschlossen, das geht nicht, weder zeit- noch kraftmäßig. Immerhin telefoniert der Beamte herum, doch letztendlich bleibt es dabei: "Baku!" Zum erstenmal auf dieser Reise sind wir wirklich ratlos. Weiterfahren an den großen Grenzübergang nach Astara macht keinen Sinn, denn auch dort geht um 20 Uhr der Schlagbaum herunter. Baku würde uns drei Tage kosten, denn morgen ist Freitag und die Öffnungszeiten des Konsulats sind denkbar eng. Und den Iran sausen lassen und umkehren? Wir haben aber lediglich ein Transitvisum und müssen also in ein Drittland ausreisen. OK, wir haben den Bogen offensichtlich überspannt ...

Michaela ist schon dabei, die Bikes abzuladen, um Quartier in der schäbigen Absteige direkt neben dem Schlagbaum zu nehmen, da fahren plötzlich zwei Geländewagen durch das Grenztor und halten kurz vor dem "Hotel". Den vielen Sternen auf ihren Schulterklappen nach zu urteilen sind es Offiziere und so schnappe ich erneut unsere Pässe und spreche den Chef der Truppe an. Und irgendwie geht es, mit Stichworten aus dem Wörterbuch, ein paar russischen Brocken, ein wenig Türkisch (Wird als Turksprache in Aserbaidschan verstanden!), dazu unsere Karte, die Route, die Wörter "Jounalist" und "Man Almanam" (Ich bin Deutscher) . Der Offizier macht uns klar, dass wir erstmal schlafen sollen und dass es morgen keine Probleme gäbe. In der Nacht machen wir kaum ein Auge zu, und das liegt nicht nur an der Backofentemperatur im Zimmer und der knarrenden Holzpritsche, auf die wir unsere leichten Seidenschlafsäcke gelegt haben ... 😱

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