Eine Nacht am Cildir Gölü

Erzurum – Cildir Gölü: 310 km

Frühstück im 5. Stock mit Blick auf Erzurum. Es ist angenehm kühl hier oben, während unten in den Straßen der Stadt bereits wieder der Asphalt kocht. Raus aus der Hitze dieser verrückten Stadt und wieder hinaus in die Weiten Anatoliens. Die Umgehungsstraße zur D 100 zeigt uns noch einmal die schöne Lage des Wintersportzentrums Erzurums am Fuße der Palandöken Daglari. Wir haben noch 220 km bis nach Kars und wollen bis zum Abend am Cildir Gölü sein, einem 1959m hoch gelegenen See unweit der georgischen Grenze. Nach einer Nacht im Zelt irgendwo am See soll es dann am nächsten Tag über die Grenze nach Georgien gehen. Einheimische haben uns immer wieder auf den Übergang bei Türkgözü aufmerksam gemacht, während es im Verlauf unserer Recherchen stets hieß: Ihr könnt nur bei Sarpi am Schwarzen Meer nach Georgien einreisen. Das würde natürlich einen gewaltigen Umweg bedeuten.

Die Fahrt um den Cildir Gölü hat allerdings noch einen weiteren Grund. Die Route nach Ardahan führt uns unmittelbar zum Fluss Kura, den wir als groben Leitfaden für unsere Tour auserkoren haben. Obwohl wir in Erzurum erst relativ spät am Morgen loskommen, müsste der Tag für "die paar Kilometer" eigentlich locker reichen. Doch Allah ist ein begnadeter Landschaftsarchitekt, und was er zwischen Horasan und Karakurt am linken und rechten Ufer des Aras Nehri an Schluchten, Höhlenfelsen, erodierten Basalttürmen und fruchtbaren Flusstälern kreiert hat, ist so schön, dass wir die Kamera immer wieder aus dem Tankrucksack zerren und kürzere Fotopausen einlegen. Es ist bereits nach 4 Uhr, als wir die löchrige Baustraße von Selim nach Kars hinunterstauben und einmal mehr froh darüber sind, dass wir auf einer Enduro mit belastbaren Stollenreifen sitzen. Welch eine gewaltige Staubfahne ein türkischer Truck produzieren kann ...

Die Nachmittagssonne taucht die ostanatolischen Dörfer rund um Kars in ein ganz besonders mildes Licht und wir genießen die letzten Kilometer. Nach einmal gilt es, Baustellen und choatische Verkehrsverhältnisse zu überwinden, dann finden wir die kleine Straße nach Cildir und poltern die nächsten 30 Kilometer in der hereinbrechenden Dämmerung hinauf zum See. An der letzten Tankstelle haben wir uns noch mit ausreichend Wasser zum Kochen und Waschen eingedeckt, so dass dem kleinen Abenteuer nun nichts mehr im Weg stehen dürfte. Mit dem letzten Büchenlicht erreichen wir den Cildir Gölü und stellen in einer kleinen Senke mit einem natürlichen Hochlandteich unser Zelt auf.

Es ist inzwischen richtig kalt geworden und ein böiger Wind peitscht die Zeltbahnen. Michaela hat den Gaskocher angeworfen und bald ist das Zelt mollig warm. Das italienische Fertiggericht vom Expeditionsausrüster schmeckt erstaunlich gut, ein Cay wärmt den Magen und der Schnaps aus dem Alukoffer rundet diesen merkwürdigen Tag wunderbar ab. Das darf Allah natürlich nicht wissen – schließlich haben wir Ramazan ... Beim letzten Blick aus dem Zelt gibt es noch einen ganz besonderen Nachtisch: einen gewaltigen Sternenhimmel in stockdunkler Nacht und das Blitzleuchten eines fernen Gewitters in den Bergen. Morgen geht es nach Georgien – mit diesem Gedanken schlafen wir ein.🌗😴

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