Bereits um acht Uhr abends bricht die Dunkelheit herein. Wir wollen heute Nacht noch bis weit hinter Istanbul kommen, um dem am Tage zu erwartenden Verkehrsterror der 16-Millionen-Metrople weitestgehend zu entkommen. Die Straße nach Kesan ist vom Feinsten: Die Asphaltaufstülpungen und Bodenwellen sind so effektiv, dass sich selbst der überbreite, satt federnde Motorradanhänger im Dreisprung übt. Die Bikes federn dabei dermaßen tief ein, dass sich die Krallen der Spanngurte mehrfach lösen und wir sie mit Schnellspannbändern sichern müssen.
Bei Tekirdag schießt die Straße kurvenlos und wild entschlossen zum Marmarameer hinab und bietet ein betörendes Panorama aus Tausenden glitzernder Lichtern, die
unschwer erahnen lassen, wie dicht dieser europäisch-asiatische Kulturraum besiedelt ist. Die Fahrt über die Bosporus-Brücke absolvieren wir mit offenem Mund und großen Kinderaugen. Doch von
wegen Nachtruhe auf den Straßen: Vom Erholungsort Marmaraereglisi bis zum Autobahnanschluss Silivri stehen die Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn Stossstange an Stossstange. Über das Wochenende
zieht es die Istanbuler ans Meer, raus aus der Großstadt, hinaus zu den Ferienwohnungen und Pensionen am Marmarameer. Großstädter scheinen besondere Nerven zu haben!!
Wir werden uns übrigens nie mehr über die Fahrweise auf deutschen oder italienischen Autobahnen beklagen. Die wahre Show läuft rund um Istanbul:
LKWs links und rechts überholend, durchgeknallte Autofahrer versuchen sich im mehrspurigen Speedball und röhrende Überlandbusse ballern im 5-Minuten-Rhythmus ganz links außen an allen anderen
vorbei. Und all das nach Mitternacht! Uns ist nach über 10 Stunden Fahrt inzwischen alles wurscht und wir versuchen einfach mitzuschwimmen. Nur nicht am Lenkrad zucken und die verschwitzten
Finger ab und zu an der Hose abwischen ...
Gegen halb vier Uhr morgens ist nach über 1100 km die innere Batterie restlos leer und wir rollen zur "Nachtruhe" auf einen Truckerparkplatz an der alten Landstraße
nach Ankara. Die Luft ist feuchtwarm und das Wort "schwitzen" ist eine glatte Untertreibung. Gott sei Dank gibt es eine kleine Dusche im "Pössl".
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