Österreich kann auch ohne Berge...

Reisetagebuch Bernsteinstraße   05. August 2018 - Tag: 261 km - Gesamt: 1691 km - Eintrag: M&U 

Von Szombathely (Ungarn) nach Valtice (Tschechien)


Das Frühstück im Park Hotel Pelikan wird nie einen Preis gewinnen, reiht sich aber in den Gesamteindruck der Hotelanlage ein. Die vier Sterne sind mächtig abgeblättert. Auch auf den ersten Morgenkilometern nach Csepreg fragen wir uns immer wieder: Was macht die Politik in Ungarn falsch? Die Slowenen haben’s gepackt, die Tschechen ebenso und die Österreicher auf dem Bernsteinweg zwischen diesen beiden Ländern sowieso. Nur Orbans Döfer scheinen sich noch tief in den 60ern zu befinden und verbreiten diesen ärmlichen Ostblockcharme, den wir zuletzt kurz nach der Maueröffnung genießen konnten. Da bröckelt allerorts nicht nur der Putz von Decken und Wänden, sondern zugleich liegen auch Lebensfreude, Kreativität und Schaffenskraft darnieder. Ein Spaziergang durch Szombathely stimmt uns nicht nur nachdenklich, sondern vor allem traurig und betroffen. Politischer Anspruch und eine stramm fremdenfeindliche  Anti-Flüchlingspolitik der ungarischen Führung können auf die Dauer nur sehr unzureichend davon ablenken, dass da jemand seine politischen Hausaufgaben nicht gemacht hat…

 

Csepreg hat noch Restcharme, wartet aber auf bessere Zeiten. Wenige Gasstöße weiter endet der schmale Fahrweg auf den Spuren der Bernsteinstraße urplötzlich an einer Straßenbarriere aus Beton, die gerade noch einen Durchschlupf für Fahrradfahrer offen hält. Den CRFs reicht’s und flutsch - wir sind in Österreich. Radikaler kann ein Szenenwechsel wohl kaum sein. Alles schmuck und sauber, strahlende, frisch gestrichene Hausfassaden, jedes zweite Haus eine Pension mit Zimmerangebot, fröhliche Feststimmung auf dem Dorfplatz beim Weinfest von Lutzmannsburg. 

 

Der Weg führt nach Raiding, wo Franz Liszt geboren wurde und eine Museumsanlage zu Ehren des berühmten Komponisten um sein Geburtshaus herum gerade entsteht. Stippvisite. Es ist Mittag und die Sonne brennt heute geradezu unbarmherzig von einem wolkenlosen Himmel und lässt den hellen Putz der Bürgerhäuser so knallhart blenden, dass selbst die digitalen Kameras mit Messfehlern überraschen. In Sopron (Ödenburg) tropft’s derart deutlich aus Endurojacken und Stiefeln, dass wir in der Stadtmitte am Liszt-Haus das Handtuch werfen und Wasser fassen. Hemd und Hose sind klatschnass und selbst das Merinozeug braucht eine gute Stunde, um wieder anziehbar zu sein. Hübsch ist sie, diese Grenzstadt zwischen Ungarn und Österreich, mit dem üblichen Renovierungsbedarf zwar, aber durchaus besuchenswert.

Irgend etwas flimmert da hinten in der Ferne. Eigentlich wollten wir am Ufer des Neusiedler Sees entlangbummeln, doch das erweist sich als zu naiv gedacht. Ob Fertörákos (Kroisbach), Rust mit Seebad Purbach oder Breitenbrunn - stets sind es zum schilfbewachsenen Seeufer noch gute 3 bis 4 Kilometer. Dann kommt eine Riesenparkplatz und eine Sperre mit Ticketautomat. Fortsetzung der Ufererkundung und womöglich Badeintention nur zu Fuss - also ein Flop für Motorradfahrer. Jede Fortbewegungsart hat ihre Nachteile und wenn ich mit dem Helm und der Motorradjacke über dem Arm in schweren Endurostiefeln auf Reisen flanieren oder eine Stadt erkunden soll, bekomme ich schon bei dem bloßen Gedanken Muskelkrämpfe…

 

Eine knappe Stunde braucht’s bis zu den Römern. Und spätestens in Petronell-Carnutum werden die römischen Legionen und ihre Feldquartiere geradezu greifbar - etwas Fantasie vorausgesetzt und den festen Willen, das weitläufige Ausgrabungsgelände zu erkunden. Wir „schaffen“ es mit den CRFs bis zum Heidentor, dem Wappenmotiv der Legionsstadt und rangeln mit der Sonne um ein blaues Fotoloch im mittlerweile gewittrig grau verhangenen Himmel. Bis ins bunt-barocke Hainburg hält der Deal, dann prasselt es auf den nächsten Kilometern auf den Tankrucksack und die gefühlte Jacken-Innentemperatur sinkt um erfrischende 10 Grad. Gut gemacht, Petrus!

 

An der March entlang durchs Marchland - echt spannend! Das haben sich die Österreicher fein ausgedacht. Zwei, drei Mal wäre ich bei 80 km/h schier eingepennt, zumal der Ritt durch endlose Mais- und Kürbisfelder völlig kurvenfrei verläuft. Auf der Route liegt Marchegg mit einer schönen Schlossanlage und hebt die Augenlider. Wir sind im klangvollen Weinviertel angekommen und kurz vor der tschechischen Grenze bei Poysdorf kommt wieder Leben und Abwechslung in die Landschaft. Sanft wellen sich Weinberge und sanfte Hügel, die uns schließlich nach Valtice begleiten. Schloss, Dom, Kloster und viel Kutur und Ambiente rund um die kirchlichen Immobilien der einstigen Liechtensteiner Fürstentum- Vergangenheit. Bis 1919 gehörte der Ort noch zu Niederösterreich und Schloss Valtice zählt zu den schönsten Schlossensembles Österreichs (Weltkulturerbeliste der UNESCO). Dass wir im Hotel Salety direkt neben dem Schloss noch ein schönes Zimmer bekommen, hätten wir gar nicht mehr zu hoffen gewagt… -

 

Allen Lesern eine gute, erholsame  Nacht.


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Kommentare: 2
  • #1

    Brigitte Fl. (Montag, 06 August 2018 13:58)

    Hallo, ihr Weltenbummler, mit großem Interesse und ebensolchem Vergnügen lese ich eure Reiseberichte. Toll, dass man auf diese Art ein bisschen mitreisen kann. Ich wünsche euch alles Gute, viele schöne neue Eindrücke und unvergessliche Erlebnisse!

  • #2

    Roland Kater (Montag, 06 August 2018 15:37)

    Liebe Motorradies, habe mit großem Interesse schon einen Großteil eures Blogs gelesen - und ihr wisst, wie schwer mir das Lesen von längeren zusammenhängenden Texten fällt!
    Hört sich gut an und sieht gut aus (Fotos)!!
    Macht weiter so, genießt eure erste Fahrt als freie Menschen.
    Und nicht vergessen Mutters Rat:
    Auf der Reise immer schön warmhalten!

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